Erstattungsanspruch für Flugtickets gegen Luftfahrtunternehmen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens – Teil 2

von Lieb Rechtsanwälte

Ein Beitrag von RAin Nicola Kastner-Hippel

Mit Meldung vom 12.04.2021 berichteten wir über eine Entscheidung des AG Frankfurt am Main, das Erstattungsansprüche von Fluggästen als Masseverbindlichkeiten qualifizierte. Jetzt hat der BGH über den Fall entschieden (Urt. vom 05.05.2022 – IX ZR 140/21).

Bereits das Berufungsgericht hatte die Klage der Fluggäste auf Zahlung der Erstattungsansprüche abgewiesen; die Revision der Fluggäste blieb ohne Erfolg.

Der BGH stellt klar, dass der Erstattungsanspruch eines Fluggastes, der einen Flug vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gebucht und vollständig bezahlt hatte, grundsätzlich eine Insolvenzforderung darstellt. Die Annullierung eines Fluges erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Luftfahrtunternehmens ändere hieran nichts.

Die Forderungen der Passagiere auf Beförderung seien nicht auf Geld gerichtet und daher mit dem Wert geltend zu machen, der für die Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschätzt werden könne. Diese nicht auf Geld gerichteten Insolvenzforderungen wandeln sich, so der BGH, nicht bereits mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder mit der Anmeldung zur Tabelle in eine Geldforderung um. Dies erfolgt erst mit der Feststellung zur Tabelle.

Die Kläger des hiesigen Verfahrens hätten ihre Beförderungsansprüche nicht in Geld umgerechnet und zur Tabelle angemeldet. Auch sei keine Feststellung zur Tabelle erfolgt. Damit seien sie nicht zu Geldforderungen geworden, sondern Beförderungsansprüche geblieben.

Das erstinstanzliche Gericht hat die Forderungen der Passagiere als Masseverbindlichkeiten qualifiziert. Nach dem Wortlaut der Vorschrift des § 55 I Nr. 1 Fall 1 InsO seien die Voraussetzungen einer Masseverbindlichkeit laut BGH erfüllt. Die verwaltungs- und verfügungsbefugte Schuldnerin habe die von den Klägern gebuchten Flüge annulliert. Dennoch habe die Annullierung der Flüge im hiesigen Fall nicht zu einer Masseverbindlichkeit geführt.

Masseverbindlichkeiten werden in den meisten Fällen vom Verwalter oder vom eigenverwaltenden Schuldner neu begründet (mit Ausnahme der gesetzlich geregelten oktroyierten Masseverbindlichkeiten und der gegenseitigen Verträge, deren Erfüllung der Verwalter gem. § 103 InsO wählt).

Handlungen des Verwalters oder eines eigenverwaltenden Schuldners, die nur die Nichterfüllung vor der Eröffnung geschlossener, nicht aus der Masse zu erfüllender Verträge betreffen und nur der Abwicklung dienten, fielen nicht unter § 55 I Nr. 1 InsO. Die Annullierung der Flüge habe wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr durchsetzbare Beförderungsansprüche betroffen. Anspruch auf Erfüllung aus der Masse hätten die Kläger nicht. Es handele sich um Insolvenzforderungen. Auch die Fortsetzung der Geschäftstätigkeit und des Flugbetriebs ändere hieran nichts. Dies gelte auch für etwaige Erklärungen der eigenverwaltenden Schuldnerin nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, dass der Geschäftsbetrieb fortgeführt werde.

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