Erfüllung des Urlaubsanspruchs trotz häuslicher Quarantäne des Arbeitnehmers (BAG Urt. v. 28.05.2024 – 9 AZR 76/22, NZA 2024, 1139)
von Lieb Rechtsanwälte
Ein Beitrag von RAin Saskia Koçak
Der dem BAG vorgelegte Fall beschäftigt sich mit der Frage, ob ein Arbeitnehmer Anspruch auf Nachgewährung von Urlaubstagen hat, wenn er während eines bereits bewilligten Urlaubs aufgrund behördlicher Anordnung in häuslicher Quarantäne isoliert war, ohne selbst arbeitsunfähig erkrankt zu sein.
Im streitgegenständlichen Fall hatte der Arbeitnehmer ursprünglich acht Tage Erholungsurlaub. Während dieses Urlaubs wurde ihm jedoch aufgrund eines Kontakts mit einer COVID-19-infizierten Person durch die Stadt Hagen häusliche Quarantäne auferlegt. Er durfte seine Wohnung nicht verlassen und musste Kontakte auf das Nötigste beschränken. Er selbst war in dieser Zeit jedoch nicht krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Der Arbeitnehmer forderte Urlaubsnachgewährung. Was gilt nun?
Entscheidung des BAG:
Das BAG beschäftigte sich mit dem Anspruch des Arbeitnehmers auf Nachgewährung von Urlaubstagen. Gem. § 9 BUrlG würden durch ärztliches Zeugnis nachgewiesene Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet, soweit der Arbeitnehmer während des Urlaubs erkrankt. Das BAG lehnte daher einen derartigen Anspruch im o.g. Fall ab, da der Arbeitnehmer gerade nicht arbeitsunfähig erkrankt war.
Die Erfüllung des Urlaubsanspruchs setze voraus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer durch entsprechende Erklärung von der Arbeitspflicht freistellt und das Urlaubsentgelt entweder gemäß § 11 BUrlG vor Urlaubsantritt zahlt oder dessen vorbehaltlose Zahlung zusichert. Für das Erlöschen der Urlaubspflicht gemäß § 362 I BGB genüge jedoch nicht allein die Leistungshandlung; die Freistellungserklärung bewirke das Erlöschen nur, wenn der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung verpflichtet ist.
Der Arbeitgeber schulde bezahlte Freistellung zur Erholung, jedoch keinen spezifischen „Urlaubserfolg“. Durch die Festlegung des Urlaubszeitraums nach § 7 I BUrlG erfülle der Arbeitgeber seine Leistungspflicht und hebe die Arbeitspflicht für diesen Zeitraum auf.
Das BAG stellt zudem klar, dass § 9 BUrlG nicht anwendbar sei, wenn ein Arbeitnehmer während einer angeordneten Quarantäne nicht arbeitsunfähig erkrankt ist. Eine analoge Anwendung scheide aus, da weder eine gesetzliche Regelungslücke bestehe noch eine vergleichbare Interessenlage: Anders als eine SARS-CoV-2-Infektion diene die Quarantäne präventiven Zwecken. Ein Analogieschluss sei daher nicht gerechtfertigt.