Eilige Maßnahmen der Bundesregierung im allgemeinen Zivilrecht

von Joachim Borger | Lieb.Rechtsanwälte

Ein aktueller Beitrag von RA Joachim Borger

Die Bundesregierung hat am 23.03.2020 einen „Gesetzesentwurf zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ veröffentlicht. Mit diesem Maßnahmenpaket nimmt sich die Bundesregierung insbesondere den Schutz von Verbrauchern und Kleinstunternehmern vor. Zwar steht das Maßnahmenpaket noch im Entwurfsstadium, mit einer Umsetzung ist jedoch in den nächsten Tagen zu rechnen.

Allgemeines Zurückbehaltungsrecht für Kleinstunternehmer

Für Kleinstunternehmer sieht der Gesetzesentwurf ein allgemeines Zurückbehaltungsrecht vor. Darin ist jedoch kein Freibrief für alles zu sehen.

Kleinstunternehmen in diesem Sinne sind grundsätzlich Unternehmen in jeder Rechtsform mit höchstens neun Beschäftigten und einem Jahresumsatz bis 2 Mio. € oder einer Jahresbilanz bis 2 Mio. €. Der Anwendungsbereich des Zurückbehaltungsrechts ist beschränkt auf Dauerschuldverhältnisse, die vor dem 8. März geschlossen wurden, darüber hinaus wohl sogar auf „alle wesentlichen Dauerschuldverhältnisse“. Wesentlich sind solche, „die zur Eindeckung mit Leistungen zur angemessenen Fortsetzung seines Erwerbsbetriebs erforderlich sind.“ Laut der Begründung des Gesetzesentwurfs sollen darunter jedenfalls Pflichtversicherungen, Verträge über die Lieferung von Strom, Gas und Telekommunikationsdiensten und ggf. Wasserver- und –entsorgung fallen.

Zahlungspflichten aus Miet- und Pachtverträgen fallen nicht unter das allgemeine Zurückbehaltungsrecht, eine ähnliche Regelung ist dafür jedoch an anderer Stelle vorgesehen (dazu sogleich). Auch für Zahlungspflichten aus Darlehensverträgen gilt das allgemeine Zurückbehaltungsrecht dieses Gesetzesentwurfs nicht. Eine ähnliche Regelung sieht der Gesetzesentwurf für Darlehensverträge zwar vor, allerdings nur zugunsten von Verbrauchern. Stattdessen soll die Bundesregierung den Anwendungsbereich per Verordnung auf Kleinstunternehmer ausweiten können. Ob die Bundesregierung von dieser Ermächtigung Gebrauch macht, bleibt abzuwarten. Arbeitsverträge werden an anderen Stellen behandelt und bleiben von diesem Regelungswerk ausdrücklich unangetastet.

Die Leistung zurückbehalten darf der Kleinstunternehmer nur, wenn ihm infolge von Umständen, die auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen sind, die Erbringung der Leistung unmöglich ist oder die Erbringung der Leistung die wirtschaftlichen Grundlagen seines Erwerbsbetriebs jedenfalls gefährden würde. Ist die Zurückbehaltung wiederum für den Vertragspartner unzumutbar, weil dadurch dessen wirtschaftliche Grundlage zumindest in Gefahr wäre, darf der Kleinstunternehmer nicht zurückbehalten. Stattdessen steht kann er dann den Vertrag kündigen.

Zum 1. Juli 2020 soll das Zurückbehaltungsrecht seine Wirkung verlieren. Damit werden spätestens am 1. Juli 2020 die Ansprüche des Gläubigers durchsetzbar.

Kündigungsausschluss im Mietrecht

Der Gesetzesentwurf sieht einen vorübergehenden Ausschluss des Kündigungsrechts im Fall von pandemiebedingtem Zahlungsverzug des Mieters oder Pächters einer Immobilie bzw. Räumen vor. Anders als das allgemeine Zurückbehaltungsrecht gilt diese Regelung für alle Mieter und Pächter, nicht nur für Verbraucher und Kleinstunternehmer. Der Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie ist vom Mieter oder Pächter glaubhaft zu machen. Der Gesetzesentwurf schützt Mieter und Pächter nicht vor Kündigungen, die auf anderen Gründen als dem Zahlungsrückstand beruhen.

Gesellschaftsrecht

Die Insolvenzantragspflicht soll bis zum 30. September 2020 ausgesetzt werden. Eine Verlängerung der Aussetzung bis höchstens 31. März 2021 behält sich das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz vor. Für Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Europäische Gesellschaften und Genossenschaften sind formale Erleichterungen vorgesehen, die die Handlungsfähigkeit der Gesellschaften im notwendigen Maß aufrecht erhalten sollen.

Dass GmbH-Gesellschafter Beschlüsse auch ohne Gesellschafterversammlungen in Form von gemeinsamen Präsenzterminen fassen können, indem sich die Gesellschafter in Textform mit der zu treffenden Bestimmung bzw. mit der schriftlichen Stimmenabgabe einverstanden erklären, ist nicht neu. Nach dem Entwurf vom gestrigen Tage soll jedoch für Beschlussfassungen „auf dem Postweg“ das Erfordernis entfallen, dass s ä m t l i c h e Gesellschafter sich schriftlich einverstanden erklären. Beschlussfassungen bedürfen weiterhin einer (einfachen) Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Demzufolge reicht es nach der Entwurfsregelung beispielsweise aus, wenn sich von drei Gesellschaftern nur zwei mit der jeweiligen Beschlussfassung einverstanden erklären und der dritte still hält oder der Beschlussfassung widerspricht.

Dieser Beitrag stellt den genannten Gesetzesentwurf nur auszugsweise dar und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

 

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