Die Pflicht des Arztes zur Herausgabe von Behandlungsunterlagen

von Lieb Rechtsanwälte

In der Praxis kommt es immer wieder zu Fällen, in denen ein Arzt dem Patienten die Einsicht in die Behandlungsunterlagen versagt, obwohl er - juristisch gesehen - zur Gewährung der Einsichtnahme verpflichtet ist. Aus diesem Grund sollte ein Arzt in einem derartigen Fall Kopien der Behandlungsunterlagen an den Patienten zeitnah herausgeben, um einen Prozess - den er letztendlich verlieren wird - zu verhindern.

Wissenswert für den Mediziner ist dabei, dass der Patient seinen Wunsch nach Einsicht in die vollständigen Behandlungsunterlagen nicht begründen muss. Eine schlichte Aufforderung hierzu seitens des Patienten reicht aus.

Der Arzt muss die vom Patienten angeforderten Behandlungsunterlagen aber nicht auf eigene Kosten anfertigen und sodann herausgeben, sondern hat das Recht, die Kosten der Anfertigung von Kopien (pro Din-A4-Seite 50 Cent) ersetzt zu erhalten. Röntgenbilder und Ähnliches, die ein Patient benötigt, um bei einem anderen Arzt erneute Aufnahmen zu vermeiden, muss der Arzt nur dann herausgeben, wenn sich der Patient zuvor zur Rückgabe der Unterlagen verpflichtet.

Aber auch hier gilt der Grundsatz „keine Regel ohne Ausnahme“, so dass es auch Einschränkungen bei der Einsichtnahme durch den Patienten gibt:

Grundsätzlich werden alle objektiven Daten von dem Recht auf Einsichtnahme erfasst. Subjektive Einschätzungen, die mit der Krankheit und deren Verlauf nicht unbedingt etwas zu tun haben, können vom Arzt zurückgehalten oder in den Kopien unkenntlich gemacht werden.

Allerdings kann es hierbei sehr schwierig sein, zu beurteilen, wie weit solche subjektiven Äußerungen gehen oder was als objektiv zu werten ist. Eine ärztliche Einschätzung bezüglich einer Diagnose gehört dabei ebenso wie Überlegungen zu alternativen Therapien in die Dokumentation des Arztes. Wohl in den subjektiven Bereich fallen dagegen Bemerkungen des Arztes, dass ein Patient „großen Widerstand zeige, sich weigere und den ärztlichen Anweisungen nicht folge oder beratungsresistent sei“.

In seltenen Fällen kann der Arzt sogar die Einsicht in die Behandlungsunterlagen ganz verweigern, wenn hierfür therapeutische Gründe vorhanden sind. Namentlich kann dies bei psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlungen der Fall sein. So darf z. B. ein Therapeut seinem Patienten die Einsichtnahme verweigern, wenn aus den Behandlungsunterlagen für ihn derart Belastendes hervorgeht, dass eine Schädigung befürchtet werden muss.

Dieses Argument müssen sich besonders häufig Psychotherapie- und Psychiatriepatienten entgegensetzen lassen. Wichtig dabei ist nur, dass der Therapeut den konkreten Einzelfall betrachtet und nicht einfach behauptet, für derartige Patienten gäbe es grundsätzlich keine Einsicht. Der Patient hat darüber hinaus das Recht, über einen Rechtsanwalt Einsicht in die Unterlagen zu nehmen. 

Verstirbt der Patient, geht das Einsichtsrecht auf die Erben über. In dieser Situation hat der Arzt zwischen dem nachwirkenden Persönlichkeitsschutz des Verstorbenen und dessen Anspruch auf Geheimhaltung einerseits und den Interessen der Erben andererseits abzuwägen. Manchmal gibt es Fälle, in denen der Patient ausdrücklich vor seinem Tod den Willen zur Geheimhaltung - auch über den Tod hinaus - geäußert hat. In diesem Fall hat der Wille des Verstorbenen Vorrang.

Benötigen aber die Erben die Behandlungsunterlagen für ein Schadensersatzverfahren, müssen sie ihr Interesse begründen. Hieran allerdings sind keine allzu großen Anforderungen zu stellen, so dass ein Hinweis zur Prüfung eines möglichen Behandlungsfehlers und einer etwaigen Haftung hieraus bereits ausreichen dürfte.

Wird das Einsichtsrecht sogar für die Vorbereitung einer Strafanzeige benötigt, haben auch nächste Angehörige, die nicht Erben sind, einen Anspruch auf Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen (vgl. BGH, Az. VI 2 R 259/81).

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