Datenschutzrecht gewährt keinen Täterschutz – BAG zur Videoüberwachung am Arbeitsplatz

von Lieb Rechtsanwälte

Ein Beitrag von Dipl. iur. Nadine Matz

Videoüberwachung im öffentlichen Raum nimmt seit Jahren zu, auch am Arbeitsplatz finden sich vermehrt Überwachungssysteme. Der Grund hierfür liegt auf der Hand: Eine umfassende Videoüberwachung erleichtert die Beweisdarlegung im Falle eines Fehlverhaltens des Arbeitnehmers und einer anschließenden Kündigung, außerdem dient sie der Gefahrprävention. Aus Arbeitnehmersicht wird eine derartige Überwachung des eigenen Arbeitsplatzes weniger gerne gesehen und häufig als ein Eingriff empfunden.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte sich jüngst mit der Frage auseinanderzusetzen, ob eine gegen Datenschutzregelungen verstoßende Videoüberwachung des Arbeitsplatzes zur Dokumentation von Fehlverhalten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess verwertet werden kann, oder ob ein Beweisverwertungsverbot zugunsten des Arbeitsnehmers greift.

Rechtlicher Hintergrund:
Rechtliche Regelungen und Begrenzungen zur Videoüberwachung am Arbeitsplatz ergeben sich aus Art. 5 I c und e sowie Art. 17 DSGVO und § 26 I S. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Art. 5 I c DSGVO sieht vor, dass vom Arbeitgeber angefertigte Videoaufzeichnungen zweckangemessen und auf das notwendige Maß beschränkt sein müssen (Grundsatz der Datenminimierung). Dies gilt auch in Bezug auf die Dauer der Datenspeicherung (vgl. Art. 5 I e DSGVO). Videoaufnahmen sind grundsätzlich nach herrschender Auffassung nach drei bis zehn Tagen zu löschen, es sei denn ein spezieller Verdacht gegen eine bestimmte Person ist gegeben. Die offene Videoüberwachung in bestimmten betrieblichen Bereichen ist gemäß § 26 I S. 1 BDSG zulässig. Bei Bestehen eines Betriebsrates benötigt der Arbeitgeber dessen Zustimmung, da dem Betriebsrat bei der Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, welche dazu bestimmt sind, das Verhalten der Arbeitnehmer zu überwachen ein Mitspracherecht zusteht.

Zugrundeliegender Sachverhalt:
Ein in einem Handwerksbetrieb beschäftigter Arbeitnehmer erhielt die Kündigung, da er das Betriebsgelände zwar betreten, jedoch noch vor Schichtbeginn wieder verlassen habe und die Vergütung für die Schicht vollumfänglich verlangt habe. Der Werkbetriebsleiter sah in diesem Verhalten einen Kündigungsgrund (Verdacht eines Arbeitszeitbetruges) und sprach dem Arbeitnehmer die außerordentliche, hilfsweise die ordentliche Kündigung aus. Da der Arbeitgeber das Betriebstor mittels Kamera überwachte, lagen dem Arbeitgeber entsprechende Beweise des Fehlverhaltens des Arbeitsnehmers vor. Auf die Videoüberwachung wies der Arbeitgeber mittels Schilder hin. Die Kamera am Betriebstor war darüber hinaus auch nicht zu übersehen.

Der betroffene Arbeitnehmer reichte Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht ein und machte geltend, ordnungsgemäß zur Arbeit erschienen zu sein. Nachdem der Arbeitgeber ein Video als Beweis vorlegte, legte der Kläger Widerspruch gegen die Verwertung des Videomaterials ein. Das Videomaterial zeigte den Kläger am fraglichen Tag, wie er vor Beginn der eigentlichen Schicht das Gelände wieder verließ.

Zur Entscheidung des BAG:
Der Kläger führte aus, die Überwachung verstoße gegen das geltende Datenschutzrecht. Das Videomaterial sei länger gespeichert worden als auf den Schildern ausgewiesen. Darüber hinaus sei es laut Betriebsvereinbarung unzulässig, personenbezogene Daten, welche aus der Videoüberwachung gewonnen werden können, auszuwerten. Der Kläger schlussfolgerte hieraus, dass die Aufzeichnungen im Kündigungsschutzprozess nicht verwertet werden dürften, mithin einem Verwertungsverbot unterlägen. Die Vorinstanzen – das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht Niedersachsen – bestätigten die Auffassung des Klägers und gaben der Klage statt.

Das BAG hingegen teilt in seinem Urteil die Auffassung der Vorinstanzen nicht, hebt die Entscheidung des LAG auf und verweist zur erneuten Entscheidung an dieses zurück. In der Pressemitteilung des BAG heißt es, es spiele „keine Rolle, ob die Überwachung in jeder Hinsicht den Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes bzw. der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) entsprach“. Die DSGVO stehe einer Verwertung personenbezogener Daten des Arbeitnehmers nicht entgegen. Dies gelte jedenfalls für den Fall, dass ein vorsätzliches vertragswidriges Fehlverhalten in Rede stehe in die Videoüberwachung durch ein Schild ausgewiesen ist. Ein prozessuales Verwertungsverbot könne aus Gründen der Generalprävention nur in denjenigen Fällen bestehen, in denen eine Überwachungsmaßnahme eine schwere Grundrechtsverletzung darstellt. Im Streitfall lag eine derartige Grundrechtsverletzung allerdings nicht vor.

Das BAG setzt mit diesem Urteil seine „verwertungsfreundliche“ Linie fort und betont nochmals, dass Datenschutz kein Täterschutz ist. Ein Beweisverwertungsverbot greift nach Ansicht des BAG nur, wenn die durch den Arbeitgeber durchgeführten Videoaufnahmen in gravierender Weise gegen Vorgaben des Datenschutzrechts verstoßen und eine Grundrechtsverstoß gegeben ist. Es führt somit nach Auffassung des BAG nicht jeder Verstoß gegen die DSGVO zu einem Verwertungsverbot im Kündigungsschutzprozess. Entscheidend soll eine Abwägung zwischen der Bedeutung der datenschutzrechtlichen Vorgaben, gegen welche der Arbeitgeber verstoßen hat, und die Schwere des Verstoßes und auf der anderen Seite die Erheblichkeit des Pflichtverstoßes des Arbeitnehmers sein. Sollte das Interesse des Arbeitgebers am Nachweis der Pflichtwidrigkeit des Arbeitnehmers überwiegen, so wird von der gerichtlichen Verwertbarkeit der Aufnahmen auszugehen sein.

Arbeitgeber sollten diese Entscheidung jedoch nicht als „Freifahrtschein“ betrachten. Sie sollten beachten, dass bei schwereren Grundrechtsverletzung durchaus ein Beweisverwertungsverbot bestehen kann. Darüber hinaus sollte nicht vergessen werden, dass möglicherweise Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers bei DSGVO-widriger Videoüberwachung bestehen können.

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