Datenschutz: Neue Freiheiten für Verbraucherschutzverbände
von Joachim Borger | Lieb.Rechtsanwälte
Der EuGH hat mit Urteil vom 28.04.2022, Az. C-319/20 über die Rüge eines Verbraucherschutzverbandes entschieden, die sich gegen Facebook richtete. Während nach altem Recht vor der DSGVO gesetzlich ausdrücklich geregelt war, dass Verbraucherschutzverbände gegen vergleichbare Verstöße gegen Datenschutzrecht sozusagen im Alleingang gerichtlich vorgehen durften, wurde seit Inkrafttreten der DSGVO heftig darüber diskutiert, ob dies weiterhin gilt - ohne eindeutiges Ergebnis.
Diesem fortwährenden Streit setzt der EuGH nun ein Ende, und zwar zugunsten der Verbraucherschutzverbände. Nach jüngster Auffassung des EuGH dürfen Verbraucherschutzverbände gegen Datenschutzrechtsverletzungen in jedem Fall vorgehen. Sie sind nicht darauf angewiesen, dass ein Verbraucher einen konkreten Vorfall bzw. einen konkreten Schadenseintritt meldet. Die Verbraucherschutzverbände dürfen aus eigener Initiative heraus aktiv werden, ohne auf eine konkret veranlasste Beauftragung durch einen Betroffenen angewiesen zu sein.
Verbraucherschutzverbände gewinnen dadurch enorm an Deutungshoheit. Ob sie von dieser neu gewonnenen Macht entsprechend umfangreich Gebrauch macht, werden wir gespannt beobachten. In jedem Fall gilt umso mehr: Datenschutz sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Abmahnungen sind sowohl mit erheblichem eigenen Aufwand als auch mit erheblichen Kosten verbunden. Mit dieser Entscheidung des EuGH steigt das Risiko, dass der eigene Betrieb untersucht und gegebenenfalls kostenträchtig in Anspruch genommen wird, deutlich.