Darlegungslast des Krankenhausträgers bei Hygienemängeln

von Lieb Rechtsanwälte

In unseren Beiträgen vom 05.10.2007, 27.04.2010, 05.01.2015 und 21.09.2015 stellten wir Entscheidungen verschiedener Oberlandesgerichte zur Frage der Haftung des Krankenhauses bei behaupteten Hygieneverstößen vor.

Mit Beschluss vom 16.08.2016 – VI ZR 634/15 – hatte sich der BGH mit der Frage der sekundären Darlegungslast des Krankenhausträgers bei behaupteten Hygieneverstößen zu befassen. Vorangegangen war eine Entscheidung des OLG Celle – 1 U 29/15 –. Der BGH führte aus, dass den Krankenhausträger die sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Maßnahmen trifft, die er ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die vom Sachverständigen als Voraussetzung für ein behandlungsfehlerfreies Vorgehen aufgeführten Hygienebestimmungen eingehalten wurden. Zwar muss grundsätzlich der Anspruchsteller alle Tatsachen behaupten, aus denen sich sein Anspruch herleitet. Dieser Grundsatz bedarf aber einer Einschränkung, wenn die primär darlegungsbelastete Partei außerhalb des von ihr vorzutragenden Geschehensablaufs steht und ihr eine nähere Substantiierung nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während der Prozessgegner alle wesentlichen Tatsachen kennt oder unschwer in Erfahrung bringen kann und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. In dem zu entscheidenden Fall hatte der klagende Patient konkrete Anhaltspunkte für einen Hygieneverstoß vorgetragen. Er hatte insbesondere darauf hingewiesen, dass er als frisch operierter Patient neben einen Patienten gelegt worden war, der unter einer offenen, mit einem Keim infizierten Wunde im Kniebereich litt und sein „offenes Knie“ allen Anwesenden zeigte. Dieser Vortrag genügt, um eine erweiterte Darlegungslast des Krankenhausträgers auszulösen. Denn an die Substantiierungspflichten der Parteien im Arzthaftungsprozess sind nur maßvolle und verständige Anforderungen zu stellen. Vom Patienten kann regelmäßig keine genaue Kenntnis der medizinischen Vorgänge erwartet und gefordert werden. Er ist insbesondere nicht verpflichtet, sich zur ordnungsgemäßen Prozessführung medizinisches Fachwissen anzueignen. Vielmehr darf er sich auf Vortrag beschränken, der die Vermutung eines fehlerhaften Verhaltens des Arztes aufgrund der Folgen für den Patienten gestattet. Welche Maßnahmen der Krankenhausträger getroffen hat, um eine sachgerechte Organisation und Koordinierung der Behandlungsabläufe und die Einhaltung der Hygienebestimmungen sicherzustellen (interne Qualitätssicherungsmaßnahmen, Hygieneplan, Arbeitsanweisungen), entzieht sich seiner Kenntnis.

Fundstelle: Gesundheitsrecht 2016/701-703

Beraterhinweis:

Nach den Ausführungen des in der Vorinstanz angehörten gerichtlichen Sachverständigen ist die gemeinsame Unterbringung eines Patienten mit einer offenen infizierten Wunde neben einem Patienten mit einem unauffälligen postoperativen Heilungsverlauf nicht zu beanstanden, wenn folgende Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention des Robert-Koch-Instituts eingehalten werden:

 

  • Prävention postoperativer Infektionen im Operationsgebiet,
  • zur Beherrschbarkeit von Infektionsrisiken primum non nocere,
  • Anforderungen der Hygiene bei Operationen und anderen invasiven Eingriffen,
  • Anforderungen der Hygiene beim ambulanten Operieren in Krankenhaus und Praxis.

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