Bundesverfassungsgericht zum Recht auf Vergessen - Beschl. v. 6. November 2019, Az. 1 BvR 276/17
von Sarah Op den Camp | Lieb.Rechtsanwälte
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat jüngst eine Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Celle zurückgewiesen (Beschl. v. 6. November 2019, Az. 1 BvR 276/17).
Eine Frau verlangte vom Suchmaschinenbetreiber Google, die Verknüpfung ihres Namens mit einem Beitrag des Norddeutschen Rundfunks (NDR) aus dem Jahr 2010 aufzuheben. Sie hatte für den Beitrag des Magazins "Panorama" mit dem Titel "Kündigung: Die fiesen Tricks der Arbeitgeber" ein Interview gegeben. Der NDR stellte ein Transkript dieses Beitrages unter dem Titel „Die fiesen Tricks der Arbeitgeber“ auf seine Webseite. Der Beitrag stellte die Kündigung eines damaligen Mitarbeiters eines Unternehmens dar, dessen Geschäftsführerin sie war. Bei einer Google Suche nach dem Namen der Geschäftsführerin bekam man eine Verlinkung zu eben dieser Seite angezeigt.
Die Beschwerdeführerin ging gegen die Nennung des Begriffs "fiese Tricks" in der Überschrift des Suchergebnisses in Verbindung mit ihrem Namen vor. Sie habe solche Tricks niemals angewandt. Die Google-Treffer rufen eine negative Vorstellung über sie als Person hervor.
Das OLG Celle hatte die Listung durch Google nach Durchführung einer Interessenabwägung als zulässig erachtet. Im vorliegenden Fall waren nicht die Grundrechte des Grundgesetzes heranzuziehen, sondern, da es sich um einen europarechtlich geregelten Bereich handelte, die der Europäischen Union. Die Beschwerdeführerin berief sich auf die Grundrechte auf Achtung des Privat- und Familienlebens und auf Schutz personenbezogener Daten. Die Suchmaschine konnte sich auf das Recht auf unternehmerische Freiheit berufen. Google könne sich beim Verbreiten von Suchnachweisen allerdings nicht auf die Meinungsfreiheit berufen. Zudem seien auch die Grundrechte Dritter zu berücksichtigen, insbesondere die der Inhalteanbieter selbst (hier: der NDR), um deren gesuchte Veröffentlichungen es geht. Sowie das öffentliche Zugangsinteresse der Internetnutzer. Das Bundesverfassungsgericht beanstandete die Abwägung des OLG Celle nicht. Berücksichtigt wurde etwa das Thema Kündigungsschutz als ein Thema von allgemeinem Interesse, im Gegensatz zu Berichterstattungen über punktuelle Ereignisse. Ferner hatte die Beschwerdeführerin das Interview freiwillig gegeben, es sei kein Überraschungsmoment ausgenutzt worden. Somit könne nach einem Zeitraum von sieben Jahren noch nicht davon ausgegangen werden, dass ein Anspruch auf Löschung bestehe.
Fazit:
Das Recht auf Vergessen ist kein allgemeiner Grundsatz, mit dem unliebsame Inhalte aus dem Netz verbannt werden können. Vielmehr muss jeder Einzelfall genau analysiert und abgewogen werden.