Bundesverfassungsgericht nimmt Beschwerden zur gesetzlichen Verpflichtung der Vertrags(zahn)ärzte zur Behandlung von Standard- und Basistarifversicherten nicht an!

von Lieb Rechtsanwälte

Im Koalitionsvertrag vom 11. November 2005 hatten CDU, CSU und SPD die Schaffung einer Behandlungspflicht zu bestimmten Gebührensätzen für privatversicherte Personengruppen, wie Beihilfeberechtigte und Standardtarifversicherte, sowohl bei wahlärztlichen Leistungen in Krankenhäusern als auch bei ambulanten Leistungen niedergelassener Ärzte vereinbart. Hiergegen wurden massive verfassungsrechtliche Einwände erhoben, sodass die Regierungskoalition schließlich von der Einführung einer unmittelbaren Behandlungspflicht absah.

Nach der Begründung zum GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26. März 2007 sollte eine (zahn)ärztliche Behandlungspflicht für bestimmte Privatversichertengruppen auf indirektem Wege, gleichsam „durch die Hintertür“ verankert werden. Im Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) findet sich eine Regelung, wonach die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen auch die ärztliche Versorgung der in den brancheneinheitlichen Standardtarifen sowie dem brancheneinheitlichen Basistarif Versicherten mit den in diesen Tarifen versicherten ärztlichen Leistungen sicherzustellen haben.

Ein Zahnarzt und ein Internist wollten höchstrichterlich klären lassen, ob eine solche Behandlungspflicht zu Lasten von Vertrags(zahn)ärzten besteht. Unterstützt wurden die Beschwerdeführer durch den Freien Verband Deutscher Zahnärzte, den Privatärztlichen Bundesverband, den Verband der Privatärztlichen Verrechnungsstellen und die Vereinigung unabhängiger Vertragszahnärzte. Die Ärzte rügten, dass die mit der Regelung verbundenen Eingriffe in ihre Berufsfreiheit bereits aufgrund des Fehlens der erforderlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes nicht gerechtfertigt seien. Das Grundgesetz weise dem Bund allgemein die Regelungszuständigkeit für die Sozialversicherung zu, während spezifische Bestimmungen zur ärztlichen und zahnärztlichen Berufsausübung den Ländern überlassen seien.

Das Bundesverfassungsgericht sah dies anders. Mit Beschlüssen vom 5. Mai 2008 (Az.: 1 BvR 807/08 und 1 BvR 808/08), die noch nicht veröffentlicht sind, wurden die Verfassungsbeschwerden erst gar nicht zur Entscheidung angenommen, da die Bescherdeführer von der angegriffenen gesetzlichen Regelung nicht unmittelbar in ihren Grundrechten betroffen und somit nicht beschwerdebefugt waren. Adressaten der angegriffenen Regelung seien die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen. Die Rechtsstellung der Vertragsärzte werde dadurch „nicht ohne weiteres“ geändert. Auch die Übertragung eines von der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung unabhängigen weiteren Sicherstellungsauftrags an die Kassenärztlichen Vereinigungen und Kassenärztlichen Bundesvereinigungen führt – so die Richter – nicht als solche zu einer Ausweitung der Pflichten des einzelnen Vertragsarztes.

Von Gesetzes wegen ist der Vertragsarzt durch § 95 Abs. 3 Satz 1 SGB V nur zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung verpflichtet, durch die er an der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung im Sinne von § 75 Abs. 1 SGB V mitwirkt. Da sich die Versorgung der Standard- und Basistarifversicherten außerhalb des Systems vertragsärztlicher Versorgung vollzieht, führt die angegriffene Übertragung des diesbezüglichen Sicherstellungsauftrags nicht zu einer unmittelbaren Erstreckung der gesetzlichen Behandlungsverpflichtung des Vertragsarztes auf diese Patientengruppe. Zudem bestimmt § 75 Abs. 3a Satz 1 SGB V nicht, in welcher Form der übertragene Sicherstellungsauftrag wahrzunehmen ist. Es bleibt den Kassenärztlichen Vereinigungen und Kassenärztlichen Bundesvereinigungen überlassen, wie sie den Auftrag am zweckmäßigsten Auftrag erfüllen.

Quelle: Gemeinsame Presseinformation von FVDZ, Vereinigung Unabhängiger Vertragszahnärzte, PVS/ Verband und Privatärztlichem Bundesverband, abrufbar unter www.pvs-verband.org vom 06.06.2008

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