BGH entscheidet erstmals über Corona–Mieten im Gewerbe

von Lieb Rechtsanwälte

Wir haben bereits mehrfach an dieser Stelle über Rechtsstreitigkeiten, die die Mietzahlung wegen behördlich angeordneter Betriebsschließungen betreffen, berichtet, zuletzt am 25.11.2021. Inzwischen hat der BGH erstmals zu diesem Thema, das bereits Gegenstand einer Vielzahl von Entscheidungen mit unterschiedlichen Ergebnissen war, ein Urteil erlassen.

Die beklagte Mieterin hatte Räumlichkeiten zum Betrieb eines Einzelhandelsgeschäftes für Textilien aller Art und Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs gemietet. Im ersten Lockdown im März 2020 musste die Beklagte ihr Geschäft vom 19.03. – 19.04.2020 schließen und zahlte für den Monat April 2020 keine Miete. Das LG hat die Beklagte in erster Instanz zur Zahlung in voller Höhe verurteilt; das OLG hob die Entscheidung auf. Nach seiner Auffassung sei eine Störung der Geschäftsgrundlage eingetreten, die eine Anpassung des Vertrages dahingehend gebiete, dass die Kaltmiete für die Dauer der angeordneten Schließung auf die Hälfte reduziert werde.

Mit Urteil vom 12.01.2020 (XII ZR 8/21) hat der BGH das Urteil des OLG aufgehoben und den Rechtsstreit zurückverwiesen.

Zunächst führt er aus, dass die auf den Allgemeinverfügungen der zuständigen Behörden beruhende Betriebsschließung nicht zu einem Mangel des Mietgegenstandes führe; dieser habe trotz der Schließungsanordnung für den vereinbarten Mietzweck zur Verfügung gestanden.

Der BGH vertritt die Auffassung, dass grundsätzlich ein Anspruch eines Mieters gem. § 313 I BGB auf Anpassung der Miete in Betracht komme. Auf Grund der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID – 19 – Pandemie sei die sog. große Geschäftsgrundlage betroffen. Darunter verstehe man die Erwartung der Vertragsparteien, dass sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen eines Vertrags nicht ändern und die Sozialexistenz nicht erschüttert werde. Diese Erwartung der Parteien sei durch die angeordnete Schließung auf Grund der Maßnahmen schwerwiegend gestört worden.

Erforderlich sei aber des Weiteren, dass dem betroffenen Vertragspartner unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen und gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zumutbar sei. Die wirtschaftlichen Nachteile des Mieters beruhten nicht auf unternehmerischen Entscheidungen oder der enttäuschten Vorstellung, in den gemieteten Räumen ein Geschäft zu betreiben, mit dem Gewinne erwirtschaftet werden können. Sie seien Folge der umfangreichen staatlichen Eingriffe in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben, für die keine der Parteien des Vertrages verantwortlich sei.

Eine pauschale Reduzierung der Miete um die Hälfte komme aber nicht in Betracht; vielmehr sei eine auf den Einzelfall bezogene Abwägung erforderlich, bei der zunächst die Nachteile des Mieters zu berücksichtigen sind. Abzustellen sei bei der Ermittlung des Umsatzrückganges auf das konkrete Geschäft und nicht auf den Konzernumsatz. Ferner könne zu berücksichtigen sein, welche Maßnahmen der Mieter ergriffen hat, um drohende Verluste zu vermindern.

Ebenfalls sei zu berücksichtigen, dass ein Mieter ggf. finanzielle Leistungen durch staatliche Unterstützung (nicht auf Basis eines Darlehens) erhalten hat.

Nach Auffassung des BGH ist die tatsächliche Gefährdung der Existenz eines Mieters nicht erforderlich. Darüber hinaus sind auch die Interessen des Vermieters in die Abwägung einzubeziehen.

Der BGH macht mit seiner Entscheidung deutlich, dass jedes einzelne Vertragsverhältnis zu betrachten ist. Pauschale Minderungen kommen danach nicht in Betracht.

Zurück