Beschränkung der freien Arztwahl in der privaten Krankenversicherung?
von Lieb Rechtsanwälte
Ein Beitrag von RA Dr. Klaus Lieb
§ 4 Abs. 2 S. 1 MB/KK (Musterbedingungen, Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung 2009) regelt den Umfang der Leistungspflicht. Danach steht der versicherten Person im Bereich der ambulanten Versorgung die Wahl unter den niedergelassenen approbierten Ärzten und Zahnärzten frei. Wendet sich der Patient hingegen an eine Ärztegesellschaft in der berufsrechtlich zulässigen Form einer juristischen Form des Privatrechts etwa einer GmbH, kann es passieren, dass die Krankenversicherung die Kostenerstattung trotz medizinisch indizierter Behandlungsmaßnahmen ablehnt.
Der durchschnittliche Patient wird im Vertrauen auf den abgeschlossenen Versicherungsschutz nicht auf die Idee kommen, dass je nach Organisationsform der Ärzte Beschränkungen bestehen können. Nach wohl derzeit noch herrschender Meinung soll das rechtlich haltbar sein.
Hintergrund ist das Niederlassungserfordernis im ärztlichen Berufsrecht. Nach § 17 Abs.1 der Musterberufsordnung der Ärzte ist die Ausübung ambulanter ärztlicher Tätigkeit außerhalb von Krankenhäusern einschließlich konzessionierter Privatkliniken an die Niederlassung in einer (Anmerkung: selbständiger) Praxis (Praxissitz) gebunden.
Der Bundesgerichtshof führte in seinem Urteil vom 30.11.1977- IV ZR 69/76- aus, dass die privaten Krankenkassen berechtigt seien, Leistungen juristischer Personen wie der GmbH nicht zu vergüten, da die juristischen Personen keine Ärzte seien und die bei ihr angestellten approbierten Ärzte seien im Rechtssinn nicht „niedergelassen“. Einer Vergütung ambulanter Leistungen durch juristischer Personen stehe jedoch nicht entgegen, wenn diese Krankenhäuser seien und den Erfordernissen des § 4 Abs. 4 MK/KK genügten. In der obergerichtlichen Rechtsprechung wurde ebenso die Auffassung vertreten, dass Leistungen rein ambulante Leistungserbringer als juristische Personen nicht unter § 4 Abs. 2 MB/KK fallen und eine erweitere Auslegung zugunsten des Versicherungsnehmers nicht geboten ist.
Dieser Rechtsprechung steht zwischenzeitlich die Reform des Ärzterechts entgegen. Nach § 23 a der Berufsordnung in der Fassung der Beschlüsse des 114. Deutschen Ärztetags 2011 in Kiel können Ärztinnen und Ärzte auch in Form der juristischen Person des Privatrechts ärztlich tätig sein. Sie müssen in der Gesellschaft beruflich tätig sein. Gewährleistet sein muss zudem, dass u. a. die Gesellschaft verantwortlich von einer Ärztin oder einem Arzt geführt wird, Geschäftsführer müssen mehrheitlich Ärztinnen und Ärzte sein, die Mehrheit der Gesellschaftsanteile und Stimmrechte den Ärztinnen und Ärzten zustehen und Dritte nicht am Gewinn der Gesellschaft beteiligt ist.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf trug in seiner Entscheidung vom 03.09.2019 – „4 U 28/18- der Reform Rechnung und bejahte eine Erstattungsfähigkeit der Behandlungsleistungen nach § 4 Abs. 2 S.1 MB/KK, soweit bei der Ärztegesellschaft als Leistungserbringer die Voraussetzungen des § 23 a MBO-Ä erfüllt sind.
Für die Sicherheit des Patienten als Versicherungsnehmers ist damit noch nicht viel gewonnen, da für ihn nicht ohne weiteres erkennbar ist, ob sein Behandler die Voraussetzungen des § 23 a MBO-Ä erfüllt. Angesichts der zwischenzeitlichen Häufung von Ärzte GmbHs in der ambulanten Versorgung sollte der Patient von einem bestehenden Versicherungsschutz ausgehen dürfen. Rechtsprechung und Privatversicherungswirtschaft sollten angesichts der unter dem Gesichtspunkt des Transparenzgebots überfälligen Erweiterung der AGB-Kontrolle ärztliche Kooperationen in Form der juristischen Person von § 4 Abs.2 S.1 MB/KK nicht länger ausschließen.
Rat: Verschiedene Privatversicherungsgesellschaften haben sich angepasst und den Katalog der Leistungserbringer erweitert. Der Blick in die Vertragsbedingungen der eigenen Versicherung vor Inanspruchnahme der Leistungen von juristischen Personen in der ambulanten Versorgung schadet gleichwohl nicht insbesondere bei Altverträgen.