Berichtigung der Insolvenztabelle durch den Insolvenzverwalter nach Rücknahme des Widerspruchs
von Lieb Rechtsanwälte
Ein Beitrag von RAin Nicola Kastner-Hippel
Die Situation ist nicht ungewöhnlich: Der Insolvenzverwalter bestreitet eine angemeldete Forderung vorläufig, nimmt dann aber den Widerspruch zurück. Wem gegenüber ist die Rücknahme zu erklären?
Hierüber hatte der BGH zu entscheiden (IX ZR 99/22, Beschluss vom 27. April 2023).
In einem eröffneten Insolvenzverfahren meldete das Finanzamt für den Kläger des Rechtsstreits Steuerforderungen zur Insolvenztabelle an. Die Höhe der Anmeldung betrug rund 60.000 €; zunächst wurden rund 9.000.-€ durch den beklagten Insolvenzverwalter zur Tabelle festgestellt und rund 50.000.-€ bestritten mit der Begründung, es fehlten bestandskräftige Bescheide bzw. Titulierung und die Höhe sei noch zu klären.
Einige Wochen später teilte der beklagte Insolvenzverwalter dem Finanzamt mit, nach Durchsicht der Unterlagen könnten die angemeldeten Forderungen bis auf die Forderungen aus Körperschaftssteuer und Solidaritätszuschlag anerkannt werden.
Mehrere Monate nach diesem Schreiben reduzierte das Finanzamt gegenüber dem Insolvenzgericht die angemeldeten Forderungen auf rund 50.000.-€, sah jedoch von dem Erlass von Feststellungsbescheiden ab. Das Insolvenzgericht berichtigte die Tabelle dahingehend, dass die festgestellte Forderung rund 7.500.-€ betrage und weitere Forderungen in Höhe von rund 43.000.-€ noch bestritten seien.
Nach Bekanntmachung des Schlusstermins forderte das Finanzamt bei dem Insolvenzgericht zunächst eine Abschrift des Schlussberichts und der Schlussrechnung. Die Tabelle wurde zu diesem Zeitpunkt noch nicht übersandt. Noch vor Aufhebung des Verfahrens erhielt das Finanzamt zusätzlich die Insolvenztabelle, die allerdings im Hinblick auf die bestrittenen Forderungen nicht mehr korrigiert worden war.
Eine daraufhin erbetene Korrektur der Insolvenztabelle lehnte der Beklagte als nicht mehr möglich ab mit der Folge, dass bei der Schlussverteilung die vorläufig bestrittenen Forderungen nicht berücksichtigt wurden.
Daraufhin nahm der Kläger den Insolvenzverwalter persönlich auf Schadensersatz gemäß § 60 InsO in Anspruch.
Aufgrund des Schreibens des Beklagten, wonach die Forderungen anerkannt worden seien, habe das Finanzamt keine Feststellungsbescheide erlassen. Nachdem das Insolvenzgericht nicht über das Anerkenntnis der Forderungen informiert worden war, wäre die Tabelle nicht berichtigt worden. Aufgrund dessen sei dem Kläger ein Schaden von rund 4.000.-€ entstanden.
Der BGH hat das klageabweisende Urteil des LG (als zweite Instanz) aufgehoben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Der BGH geht davon aus, dass dem Kläger ein Anspruch gemäß § 60 InsO zustehe, da der Insolvenzverwalter eine Verpflichtung gegenüber dem Kläger verletzt habe. Grundsätzlich sei die Rücknahme des Widerspruchs gegenüber dem Gläubiger möglich gewesen; alternativ käme auch die Erklärung gegenüber dem Insolvenzgericht in Betracht. Nach Rücknahme des Widerspruchs gegenüber dem Kläger sei die Tabelle nachträglich unrichtig geworden.
Zwar müsse grundsätzlich gemäß § 179 Abs. 1 InsO der Kläger selbst die Feststellung seiner angemeldeten Forderung betreiben, gegebenenfalls auch durch Erhebung einer Feststellungsklage.
Im zu entscheidenden Fall sei jedoch der Insolvenzverwalter wegen des vorherigen vorläufigen Bestreitens der Forderung gemäß § 60 InsO verpflichtet gewesen, auf die Berichtigung der Tabelle hinzuwirken. Dies hätte entweder durch einen eigenen Berichtigungsantrag an das Insolvenzgericht oder durch einen Hinweis an den Gläubiger erfolgen müssen, dass dieser selbst die Berichtigung der Tabelle durch Vorlage des Schreibens des Insolvenzverwalters betreiben müsste.
Diese Pflicht habe der beklagte Insolvenzverwalter verletzt. Weitere Anspruchsvoraussetzungen müsse das Berufungsgericht nach Zurückverweisung klären.