Arzneimittelwerbung Teil I

von Lieb Rechtsanwälte

Entscheidungen zur Arzneimittelwerbung

Das Landgericht Hamburg hat dem EuGH die Frage zur Klärung vorgelegt, ob Artikel 86 II dritter Gedankenstrich der Richtlinie 2001/83 dahin gehend auszulegen sei, dass er einer nationalen Bestimmung wie § 8 HWG entgegen steht, der jede Werbung für in Deutschland nicht zugelassene Arzneimittel verbietet, die jedoch nach der Ausnahme regelung des § 73 III AMG auf Einzelbestellungen aus anderen Mitgliedstaaten oder Staaten des EWR-Abkommens stammen, eingeführt werden dürfen.

Anlass der Vorlage war ein Streit um die Versendung von Listen durch eine Pharmafirma an Apotheker, die in Deutschland nicht zugelassene Arzneimitteln enthielten. In den Listen fanden sich Angaben zum Produktnamen, Packungsgröße, Preis und Wirkstärke. Eine Münchener Apotheke hatte versucht, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes dies zu unterbinden, weil es sich um eine unzulässige Werbung nach § 8 HWG handele. Die Pharmafirma ging in die Berufung vor das Landgericht Hamburg. Die Berufungsinstanz tendierte dazu, dass der in der Vorlagefrage genannte Artikel einer nationalen Bestimmung wie § 8 HWG nicht entgegen steht, mit anderen Worten, ein Verbot solcher Listen als unzulässige Werbung nicht zu beanstanden sei.

Der EuGH entschied anders. Nach Auffassung des Gerichtshofes ist ein Werbeverbot nach § 8 HWG nicht nach den Bestimmungen der Richtlinie 2001/83 über die Werbung, sondern anhand der Artikel 28 und 30 EG sowie der Artikel 11 und 13 des EWR-Abkommens zu beurteilen.

Ansatzpunkt ist § 73 I AMG, der es grundsätzlich verbietet, in Deutschland Arzneimittel zu vermarkten, die der Pflicht zur Zulassung oder Registrierung unterliegen, wenn sie nicht zugelassen oder registriert sind. Eine Vermarktung von Arzneimitteln, ist dann durch die Mitgliedstaaten grundsätzlich vollständig zu verbieten. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz macht § 73 III AMG, wenn diese Arzneimittel in einem anderen Mitgliedstaat bzw. Staat des EWR-Abkommens zulässigerweise in den Verkehr gebracht worden sind und in begrenzter Menge bezogen wird, um der Bestellung eines Einzelnen nachzukommen. Hintergrund der Regelung ist, dass es einer Person, die in einem Mitgliedstaat ansässig ist, möglich sein muss, sich aus einem anderen Mitgliedstaat eine angemessene Menge von Arzneimitteln für den persönlichen Bedarf zuschicken zulassen (besondere Bedarfsfälle).

Die Vereinbarkeit eines Werbeverbotes nach § 8 HWG war daher nach den Bestimmungen des EG-Vertrages über den freien Warenverkehr bzw. des EWR-Abkommens zu prüfen. Eine nationale Regelung, die den freien Warenverkehr behindert, ist nicht schlechthin unzulässig. Sie muss aber gerechtfertigt sein. Vorliegend wurde eine Rechtfertigung nach Art. 30 EG unter dem Gesichtspunkt „Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen“ in Erwägung gezogen. Eine derartige an Apotheker versandte Werbung könnte diese dazu veranlassen, in Deutschland nicht zum Verkehr zugelassene Arzneimittel bei ihren Kunden anzupreisen, damit die Bestellungen solcher Arzneimittel zu fördern, wodurch wiederum die Einfuhren zunähmen. §8 HWG soll den Ausnahmecharakter des § 73 III AMG stärken und die praktische Wirksamkeit des Genehmigungsverfahrens für ein Inverkehrbringen wahren.

Der EuGH folgte der Annahme einer verstärkten Einfuhr nicht zugelassener Arzneimittel nicht, da die Listen außer den genannten Angaben keinerlei Informationen zu Eigenschaften und Wirkungen der Arzneimittel beinhalteten. Eine Steigerung der Einfuhren wurde daher als unwahrscheinlich eingestuft und die Listen nicht als geeignet gesehen, um den in Art 73 III AMG geregelten Ausnahmecharakter zu beeinflussen. Ein Verbot dieser Listen nach § 8 HWG geht daher nach Auffassung des EuGH über das Ziel der Gewährleistung der Ausnahme hinaus und ist daher unzulässig.

Fazit: Art 28 EG und 11 des EWR-Abkommens stehen einem Verbot entgegen, soweit dieses für die Übersendung von Listen nicht zugelassener Arzneimittel an Apotheker gilt, deren Einfuhr aus einem anderen Mitgliedstaat oder einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens nur ausnahmsweise zulässig ist und keine anderen Informationen als die über den Handelsnamen, Verpackungsgröße, Wirkstärke und Preis dieser Arzneimittel enthalten.

EuGH, Urteil vom 8.11.2007 – C-134

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