Arzneimittelregress trotz Verkehrsfähigkeit eines Präparates

von Lieb Rechtsanwälte

Die Anforderungen an die Ärzteschaft in rechtlicher und betriebswirtschaftlicher Hinsicht werden immer größer. Bisweilen sind sie geradezu grotesk.

Ein Beispiel hierfür zeigt das Urteil des Landessozialgerichts NRW, Az.: L 11 KA 112/06:

Ein Allgemeinmediziner hatte im Jahr 2002 bei zwei Patientinnen mit einem Mammakarzinom ein Präparat verordnet, dessen Zulassung 1998 nicht verlängert wurde. Hiergegen klagte der Hersteller vor dem Bundessozialgericht. 

Diese Klage blieb letztendlich erfolglos, so dass das Präparat im Jahre 2005 vom Markt genommen wurde. Erst jetzt stand auch die fehlende Verordnungsfähigkeit des Medikaments fest, also 3 Jahre nach der tatsächlichen Verordnung eines sich auf dem Markt befindlichen Arzneimittels.

Gegen den Allgemeinmediziner wurden wegen der Verordnung des Arzneimittels Regresse in Höhe von jeweils 263 Euro festgelegt. Die hiergegen gerichtete Klage des Arztes blieb ohne Erfolg.

Das Landessozialgericht NRW war der Meinung, dass das Medikament zwar wegen des Rechtsstreits der Herstellerfirma weiterhin verkehrsfähig war. Eine Verschreibung zulasten der gesetzlichen Krankenkassen hätte aber nicht erfolgen dürfen, da es - wie das Bundessozialgericht entschied - an einer positiven Bewertung der Wirksamkeit gefehlt habe.

Ob der verordnende Arzt diese fehlende Verordnungsfähigkeit erkennen konnte oder nicht, spielte nach der Einschätzung des Landesozialgerichts NRW keine Rolle. Es entschied: „Auf ein Verschulden kommt es für einen Arzneimittelregress nicht an.“

Da über den gesamten Zeitraum hinweg die Verordnungsfähigkeit des Präparates von Prüfgremien und Gerichten kontrovers beurteilt wurde, hätte der Arzt nicht von der Rechtmäßigkeit seines Handelns ausgehen dürfen. Er habe bei einer unklaren Rechtslage die Möglichkeit, „das Präparat auf Privatrezept zu verordnen und so den Kostenträger in die Lage zu versetzen, eine Entscheidung über seine Leistungspflicht zu treffen“.

Der Arzt hätte also, um nicht dem Regress ausgesetzt zu sein, schlauer sein müssen als so mancher Richter; oder aber ein Privatrezept ausstellen müssen.

(Quelle: Ärzte Zeitung Nr. 15, 30.01.2008)

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