Architekten und Ingenieure: Haftung wegen Baukostenüberschreitung?

von Lieb Rechtsanwälte

Ein Beitrag von RA Dr. Klaus Lieb, FA für Medizinrecht, FA für Handels- und Gesellschaftsrecht

 

Sachverhalt:

In dem vom Oberlandesgericht Hamm zu entscheidenden Fall hatte der Bauherr seinen Architekten aufgrund einer von ihm vorgetragenen Baukostenüberschreitung auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Er behauptete, den Architekten auf ein von ihm unbedingt zu beachtendes Kostenlimit von € 339.924,00 hingewiesen zu haben. Letztlich seien Herstellungskosten in Höhe von € 392.450,00 angefallen.

Rechtliche Beurteilung:

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht Hamm wies die von dem Bauherrn eingelegte Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil mit Beschluss vom 17.09.2020 – 17 U 75/19 – zurück. Der BGH wies die hierauf eingereichte Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss vom 04.08.2021 – VII ZR 166/20 – zurück.

Nach Auffassung des OLG Hamm seien die Kostenvorstellungen des Bauherrn für den Architekten grundsätzlich beachtlich. Hieraus folge jedoch keine Garantiehaftung, sondern lediglich eine Beschaffenheitsvereinbarung, auch könne nicht jede Erklärung des bauleitenden Architekten, eine bestimmte Bausumme werde eingehalten, als Übernahme einer Baukostengarantie ausgelegt werden. An eine Garantieerklärung seien hohe Anforderungen zu stellen. Erforderlich sei, dass der Architekt tatsächlich zum Ausdruck bringe, dass er für die Einhaltung der angesprochenen Bausumme persönlich einstehen wolle. Soweit es sich im Einzelfall um eine Beschaffenheitsvereinbarung handle, sei grundsätzlich eine gewisse Toleranz zu gewähren. Ein Mangel liege erst bei Überschreitung um einige Prozent vor und nicht bereits bei Überschreitung um wenige Euro. Nach Auffassung des OLG Hamm sei eine Toleranz von 10 % sachgerecht, die von der Rechtsprechung auch bei Fehlern im Rahmen des Kostenvoranschlags gewährt werde.

Praxishinweis:

Architekten und Ingenieuren ist dringend davon abzuraten, selbstständige Garantieerklärungen über die Einhaltung der Bausumme einzugehen. Im Falle einer Bausummengarantie haftet der Architekt bzw. Ingenieur verschuldensunabhängig auf Einhaltung der garantierten Bausumme. Die Haftung erstreckt sich auf die tatsächlichen Mehrkosten. Architekten und Ingenieure sollten auch wissen, dass im Falle einer Bausummengarantie kein Versicherungsschutz über die Berufshaftpflichtversicherung besteht. Zudem ist in einzelnen Bundesländern die Vereinbarung von Bausummengarantien nach den standesrechtlichen Bestimmungen verboten.

Eine Haftung des Architekten bzw. Ingenieurs bei Überschreitung der Baukosten kommt in Betracht, wenn die Kostenermittlung mangelhaft ausgeführt wurde und der zuzubilligende Toleranzrahmen überschritten wird. Im Rahmen der Kostenschätzung liegt die Toleranz zwischen 30 und 40 %, bei der Kostenberechnung bei 20 bis 25 % und im Rahmen des Kostenanschlags bei 10 bis 15 %.

Wurde für Baukosten eine Obergrenze vereinbart, kommt nach der Rechtsprechung des BGH eine Toleranz grundsätzlich nicht in Betracht.

Letztlich ist im Wege der Vertragsauslegung zu ermitteln, ob dem Architekten bzw. Ingenieur eine Toleranz zuzubilligen ist.

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