Arbeitsrecht in der (Corona-) Krise

von Lieb Redaktion

RAin Saskia Krusche beleuchtet die aktuellen Entwicklungen arbeitsrechtlich!

Update 16.03.2020

Corona – was waren das noch schöne Zeiten, als die meisten Leute mit diesem Wort eine Biermarke assoziiert haben. Jetzt steht „Corona“ nicht nur für einen Virus, sondern auch für Unsicherheit, Hamsterkäufe, Quarantäne und Existenzängste. Die Tourismusbranche spürt schon die Krise, andere Branchen werden wohl leider folgen. Der Virus ist da und wird so schnell nicht wieder verschwinden. Deswegen panisch den Kopf in den Sand stecken, bringt uns alle jedoch nicht weiter. Vielmehr sollte besonnen überlegt werden, wie diese Krise bestmöglich zu meistern ist. Hierbei stehen wir Ihnen von Rechts wegen zur Seite.

Unser „Good-to-Know“ für Arbeitgeber und Arbeitnehmer:

1. Homeoffice
Dank der Digitalisierung benötigt man in vielen Berufen lediglich einen Laptop und WLan, um arbeiten zu können. Auch wir bereiten uns im Büro vor, jederzeit ins Homeoffice zu gehen, sollte uns die Quarantäne treffen. Oberste Priorität für uns alle sollte sein, gesund zu bleiben und sich möglichst wenig Viren auszusetzen, allein schon um ältere Angehörige nicht zu gefährden. Sowohl im Sinne von Arbeitnehmern als auch von Arbeitgebern ist es deswegen wohl, wenn vom Homeoffice aus gearbeitet werden kann. Einvernehmlich kann jederzeit vereinbart werden, dass der Arbeitnehmer im Homeoffice bleibt. Einseitig kann der Arbeitgeber Homeoffice nur anordnen, wenn dies entsprechend im Arbeitsvertrag, im Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung geregelt ist. Der Arbeitnehmer hat grundsätzlich jedoch keinen Anspruch darauf, vom Homeoffice aus arbeiten zu dürfen.

Wir halten im Übrigen Muster für eine Vereinbarung zum Homeoffice vor, wenn Bedarf besteht.

2. Kurzarbeit
Was ist eigentlich Kurzarbeit und weshalb kann diese helfen, die Krise zu überstehen?

Kurzarbeit ist die vorübergehende Reduzierung der Arbeitszeit. Die zulässige Einführung von Kurzarbeit führt zu einer vorübergehenden Herabsetzung der Arbeitszeit, also zu einer Beschränkung der Arbeitsplicht. Gleichzeitig – und das ist der Witz an der Sache – führt Kurzarbeit aber auch auch zu einer Beschränkung der Vergütungspflicht. Abgefangen werden die finanziellen Einbußen des Arbeitnehmers durch das sog. Kurzarbeitergeld, das durch die Bundesagentur für Arbeit bewilligt werden muss. Das Instrument Kurzarbeit ist also insbesondere bei Auftragsmangel sinnvoll, von dem wir alle hoffen, dass dieser nur vorübergehend sein möge.

Der Arbeitgeber kann Kurzarbeit nicht einseitig im Wege seines Weisungsrechts anordnen. Die Einführung von Kurzarbeit setzt entweder eine Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer, eine wirksame Änderungskündigung oder eine Vereinbarung in einem Tarifvertrag bzw. in einer Betriebsvereinbarung voraus. Standardmäßig enthalten unsere Musterarbeitsverträge daher immer eine Klausel zur Kurzarbeit.

Ist die Anordnung der Kurzarbeit durch den Arbeitgeber rechtwidrig, bleibt der Vergütungsanspruch in voller Höhe bestehen. Dies gilt übrigens auch, wenn der Arbeitgeber bei der Einführung von Kurzarbeit das erzwingbare Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates missachtet.

Arbeitgeber müssen die Kurzarbeit dann bei der Bundesagentur für Arbeit anzeigen. Zwar wird die Anordnung der Kurzarbeit bei unterlassener Anzeige nicht unwirksam, allerdings gibt es dann auch kein Kurzarbeitergeld.

Am vergangenen Freitag, 13.03.2020, hat der Bundestag eine Verordnungsermächtigung beschlossen, Bundespräsident Steinmeier hat das Gesetz unterzeichnet, so dass es bereits am Samstag, 14.03.2020, verkündet werden konnte. Durch Rechtsverordnung kann:

  • die Anzahl der von mehr als 10 % Entgeltausfall Betroffenen von einem Drittel auf 10 % herabgesetzt werden;
  • auf das Erfordernis des Einsatzes negativer Arbeitszeitsalden vollständig oder teilweise verzichtet werden.

Den Antrag auf Kurzarbeitergeld können Sie nicht nur auf Papier, sondern auch online stellen: leider nicht verlinkbar, also bitte copy-paste: https://anmeldung.arbeitsagentur.de/portal (mit Ihrer Online-Funktion im Personalausweis oder den JOBBÖRSE-Zugangsdaten (Benutzername und Passwort, andernfalls Registrierung erforderlich).

3. Überstunden
Ob Corona oder Grippe, wir befinden uns derzeit in der Krankenzeit. Dies bedeutet Personalmangel, der kompensiert werden muss. Arbeitgeber ordnen daher Überstunden an, um dem entsprechend entgegenzuwirken. Was viele Arbeitgeber gar nicht wissen: einseitig, d.h. ohne arbeitsvertragliche Vereinbarung oder Zustimmung des Arbeitnehmers, dürfen sie Überstunden gar nicht anordnen.

Regelt man zwar die Anordnung der Überstunden im Arbeitsvertrag, vergisst aber zu vereinbaren, wie diese kompensiert werden sollen, sind Überstunden immer zu vergüten und können nicht durch Freizeitausgleich eingebracht werden.

4. Aktuelle Fragen zum Entgelt
a) Quarantäne
Ist der Arbeitnehmer zwar nicht krank, steht jedoch unter Quarantäne, gilt grundsätzlich die Entgeltfortzahlung bei kurzfristiger persönlicher Verhinderung des Arbeitnehmers nach § 616 BGB. Wie lange diese Entgeltfortzahlung laufen soll, ist umstritten. Ende der siebziger Jahre hatte der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Vergütung nicht länger als 6 Wochen fortgezahlt werden muss. Ob diese Rechtsprechung heute noch Bestand hat, wagen wir zu bezweifeln.

Unsere aktuellen Musterarbeitsverträge sehen im Übrigen vor, dass die Anwendbarkeit des § 616 BGB ausgeschlossen wird, d.h. es gibt keinen Vergütungsanspruch. Es sollte also ein Blick in den Arbeits- oder Tarifvertrag geworfen werden.

b) einseitige Freistellung, einseitige Anordnung von Urlaub, einseitiger Verweis auf Abbau von Überstunden- und Freizeitguthaben
Vermehrt erreichte uns die Anfrage von besorgten Arbeitgebern, ob man die Mitarbeiter vorsorglich einseitig "in den Urlaub" schicken bzw. eine einseitige Freistellung vornehmen könne, ggf. auch gegen den Willen der Arbeitnehmer. Wie immer gilt, einvernehmlich geht (fast) alles. Fragen Sie uns.

Einseitig kann der Arbeitgeber praktisch keinen Urlaub anordnen, sieht man mal von einer wirksamen Anordnungsbefugnis für Betriebsurlaub ab. Denn der Arbeitnehmer hat immer die Möglichkeit, auf die einseitige Festlegung des Arbeitgebers einen anderweitigen Urlaubswunsch zu äußern. Die vertraglichen Regelungen zum Abbau von Freizeitguthaben sind unserer Erfahrung nach ähnlich wie beim Urlaub - also ist auch hier keine einseitige Anordnung möglich.

Bei entsprechender arbeitsvertraglicher Klausel möglich, aber teuer, weil weder Urlaub noch Überstunden weggefertigt werden, ist die einseitige Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung.

Generell gilt: sprechen Sie mit Ihren Arbeitnehmern, wir entwerfen Ihnen die passende Vereinbarung!

c) Coronainfektion
Ist der Arbeitnehmer an Corona erkrankt, gilt wie bei jeder anderen Erkrankung die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für längstens 6 Wochen.

d) Wegerisiko
Stellen die öffentlichen Verkehrsmittel ihren Betrieb ein und kann der Arbeitnehmer nicht anders zur Arbeit fahren, hat er keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Das sog. Wegerisiko trägt der Arbeitnehmer.

d) Kinderbetreuung
Sollten die Schulen geschlossen werden, müssen die Eltern zunächst einmal versuchen, die Kinderbetreuung irgendwie zu regeln. Funktioniert das nicht, hat der Arbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht. Allerdings besteht dann auch kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Beantragt man hier dagegen Urlaub, erhält man jedoch Urlaubsentgelt.

e) Vorübergehende Betriebsschließung
Muss der Arbeitgeber wegen Auftragsmangel oder auch wegen Maßnahmen des Gesundheitsamtes vorübergehend den Betrieb schließen, ist grundsätzlich trotzdem das Entgelt fortzuzahlen, denn das sog. Betriebsrisiko, also ob gearbeitet werden kann oder nicht, trägt der Arbeitgeber.

5. Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz
Muss der Arbeitnehmer nach Ziff. 4 a) in Quarantäne und der Arbeitgeber keine Fortzahlung nach § 616 BGB leisten, kann der Arbeitgeber eine Entschädigung nach § 56 Infektionsschutzgesetz in Höhe des gezahlten Entgelts verlangen und muss lediglich gegenüber dem Arbeitnehmer in Vorleistung treten.

Aber auch der Arbeitgeber, der unter Quarantäne gestellt wird und seinen Betrieb deswegen nicht öffnen kann – zu denken ist etwa an Einzelapotheker, - ärzte, - steuerberater oder – anwälte, etc. – hat Anspruch auf Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz.

6. Von der Coronakrise in die Wirtschaftskrise?
Für manch ein Unternehmen werden die Auswirkungen der Coronakrise, sollte sie weiter andauern, wohl nur durch Personalabbau abzufangen sein. Sanierung geht vor Insolvenz. Dies bedeutet, es werden vermehrt betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden. Gegebenenfalls (d.h. nach Anzahl der beschäftigten und zu entlassenden Arbeitnehmern) muss zuvor eine Massenentlassungsanzeige bei der Bundesagentur für Arbeit erstattet werden. Die Kündigungen dürfen erst rausgehen, wenn die Bundesagentur für Arbeit diesbezüglich entsprechende Rückmeldung gegeben hat.

Natürlich gilt wie immer, dass, sollte der Arbeitgeber mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigen, die betriebsbedingte Kündigung an den Vorgaben des Kündigungsschutzgesetz zu messen ist.

Das klingt alles nicht besonders rosig, aber wir werden Sie zumindest in rechtlicher Hinsicht jederzeit gerne unterstützen.

Bleiben Sie gesund!

 

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