Apothekenwahl tritt hinter Rabattvertrag zurück

von Lieb Rechtsanwälte

Krebspatienten haben keine freie Apothekenwahl bei Lieferung von Zytostatikazubereitungen, wie das Bundessozialgericht (Urteil vom 05.11.2015 Az.: B 3 KR 16/15 R) entschieden hat. 

Krankenkassen können bei der Versorgung mit Zytostatika-Rezepturen gegenüber dem Patienten, wie auch dem behandelnden Onkologen die Versorgung durch die günstigste Apotheke bestimmen. Dies gilt auch dann, wenn die Apotheke in einer anderen Stadt liegt. Die gesetzlichen Krankenkassen dürfen "zur Hebung von Wirtschaftlichkeitsreserven" über eine Ausschreibung die Versorgung durch die preisgünstigste Apotheke sicherstellen.

Das Gericht hat damit einen sog. Selektivvertrag der AOK Hessen bestätigt, die nach einer Ausschreibung die Zytostatikaversorgung an insgesamt 12 Apotheken vergeben hatte. Damit können weder Patienten, noch Onkologen selbst entscheiden, von welcher Apotheke sie die Zubereitung beziehen möchten.

Ein klagender Apotheker, der seit Jahren eine onkologische Praxis im selben Haus belieferte, kam, weil die Krankenkasse die Zytostatika-Zubereitung einer ortsfremden Apotheke übertragen hatte, nicht mehr zum Zuge. Diesem teilte die Apotheke mit, dass sie dessen Lieferung künftig nicht mehr zahlen werde. Auch die Onkologen waren mit dem Vorgehen nicht einverstanden und wollten weiterhin mit der ortsnahen Apotheke kooperieren. Von den Patienten ließen sie daher ein Formular unterschreiben, mit welchem erklärt wurde, dass sie eine Belieferung durch die Apotheke im selben Haus möchten. Apotheke und Praxis arbeiteten auf diese Weise weiterhin zusammen und beriefen sich darauf, dass Patienten die Apotheke frei wählen dürfen. Auf dieses Argument stützte sich der klagende Apotheker und vertrat die Auffassung, dass die Apotheke in dem Fall auch zur Lieferung verpflichtet sei.

Die AOK zahlte gleichwohl nicht, mit dem Argument, dass die Apotheke nicht mehr zur Versorgung berechtigt gewesen sei. Der Kontrahierungszwang sei nur von den Verordnungen betroffen, die die Patienten selbst einreichen. Dies ist bei Zytostatika jedoch nicht der Fall.

Dies hat das BSG bestätigt. Das Apothekenwahlrecht greife schon faktisch nicht, da das Gesetz die Direktbelieferung onkologischer Praxen ausdrücklich vorsehe. Es sei daher üblich, dass die Ärzte mit einer bestimmten Apotheke zusammenarbeiten, ohne dass die Patienten hierauf einen Einfluss haben, sodass die Patienten kein rechtlich geschütztes Interesse an der Wahl einer bestimmten Apotheke haben.

Das BSG wies auch darauf hin, dass das Sozialgesetzbuch die Ausschreibung von Zytostatikazubereitungen ausdrücklich zulasse. Ebenso wurde darauf hingewiesen, dass es wichtig sei, dass die Kassen der günstigsten Apotheke durch eine "zumindest prinzipielle Exklusivität der Lieferbeziehungen" bestimmte Mengen zusagen können, um Preisnachlässe erzielen zu können. Dies führt für andere Apotheken zwingend zu einem Lieferverbot. Ausnahmen sind aus der Sicht des BSG nur in Einzelfällen denkbar, in denen Patienten besondere Gründe für die Wahl einer bestimmten Apotheke haben und bereit sind, die Mehrkosten selbst zu tragen.

Der 3. BSG-Senat hielt es daher für gerechtfertigt, dass die Krankenkasse nicht zahlte, sondern eine Retaxierung auf Null wegen der fehlenden Versorgungsberechtigung vornahm. Dem Apotheker wurde vorgehalten, hieralle Umstände vorab gekannt zu haben, weshalb er sich nicht auf einen Vertrauensschutz berufen konnte. 

Die Richter wiesen auch darauf hin, dass die Ausschreibungen legitim seien, solange die Qualität der Versorgung darunter nicht leide. Die Versorgungsqualität sei hier durch die Verträge ausreichend gesichert. Der klagende Apotheker drang mit seinem Argument, dass hier eine rasche "Ad-hoc-Versorgung" von großer Bedeutung sei, somit nicht durch. Eine solche Versogrung sei nach Auffassung des BSG aber nur in wenigen Einzelfällen notwendig. 

 

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