Apothekenrecht: Eine Versandhandelserlaubnis nach § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG, § 11a ApoG berechtigt nicht dazu, eine Rezeptsammelstelle nach § 24 ApBetrO zu unterhalten.
von Lieb Rechtsanwälte
Fall:
Der Inhaber und Betreiber einer Apotheke brachte an der Außenwand eines Nieren- und Diabeteszentrums einen Kasten zur Sammlung von Rezepten an. In diesen konnten Patienten Rezepte einwerfen, wenn sie eine Belieferung durch den Apotheker wünschten. Der Apotheker meinte, das Einsammeln der Rezepte sei von der ihm erteilten Versandhandelserlaubnis gedeckt.
Entscheidung:
Das OVG NRW sah dies in seinem Beschluss vom 02.05.2016 – 13 B 284/16 – anders. Das Einsammeln von Rezepten sei nicht als Bestandteil der Versandhandelserlaubnis zu sehen. Es liege nicht schon dann ein Versandhandel vor, wenn die Abgabe der Arzneimittel außerhalb der Apotheke nicht nur im Einzelfall, sondern regelmäßig erfolgte. Typisch für den Betrieb eines Versandhandels sei, dass sich Kunde und Apotheker nicht persönlich begegneten und der Kundenkreis regelmäßig weder eingeschränkt noch vorab feststehe, jedermann zur Verfügung stehende Bestellmöglichkeiten per E-Mail, Telefon oder Telefax habe sowie für die Belieferung die Einbindung eines in den Vertrieb eingeschalteten Logistikunternehmens vorhanden sei. Den aus diesen Besonderheiten resultierenden Gefahren trage der Gesetzes- und Verordnungsgeber dadurch Rechnung, dass er die Tätigkeit des Versandhändlers hinsichtlich der Übermittlung der Arzneimittel erheblich strengeren Bedingungen unterwerfe, als die Rezeptsammelstelle.
Das Einsammeln von Verschreibungen, wie von dem Apotheker praktiziert, sei nicht dem Versandhandel zuzuordnen. Es bestehe der für eine Präsenzapotheke typische persönliche Kontakt zwischen Kunden, Apotheker oder Mitarbeitern des Apothekers. Dadurch, dass Rezepte abgeholt würden, entfalle beim Kunden der Zeitaufwand, der ansonsten für die von ihm vorzunehmende Übermittlung der Verschreibungen an die Versandapotheke anfiele. Zudem richte sich das Serviceangebot des Apothekers nicht, wie bei einer Versandapotheke typisch, an einen unbestimmten Personenkreis, sondern nur an die Patienten des Nieren- und Diabeteszentrums. Schließlich erfolge auch die Arzneimittelzustellung, wie für die Präsenzapotheke, nicht aber für einen Versandhandel typisch, durch einen Botendienst, der der Weisungs- und Organisationsbefugnis des Apothekers unterliege.
Der Apotheker habe keinen Anspruch auf die Erteilung einer Erlaubnis zum Betrieb einer Rezeptsammelstelle, die ihn zum Sammeln der Verschreibungen berechtigen würde. Es sei nicht ersichtlich und von dem Apotheker auch nicht vorgetragen, dass das Sammeln der Rezepte zur ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung von abgelegenen Orten oder Ortsteilen ohne Apotheke erforderlich sei (§ 24 Abs. 1 ApBetrO). Auch dürfe eine Rezeptsammelstelle – wie hier wohl der Fall – bei Angehörigen der Heilberufe nicht unterhalten werden (§ 24 Abs. 2 ApBetrO), um jeglichen Anschein einer wirtschaftlichen Verbindung der Apotheke mit anderen Angehörigen der Heilberufe zu verhindern.
Quelle: Gesundheitsrecht 7/2106, S. 455 mit 457