Anforderungen an die ärztliche Aufklärung

von Lieb Rechtsanwälte

Ein Beitrag von RA Dr. Klaus Lieb

In seiner Entscheidung vom 05.11.2024 - VI ZR 188/23 - konkretisierte der Bundesgerichtshof die Anforderungen an die ärztliche Aufklärung. Danach muss die Aufklärung im Kern immer mündlich erfolgen. Der vorrangige Bezug auf schriftliche Hinweise und Informationen genügt nicht. Der Leitsatz der Entscheidung lautet im Auszug:

Zu den Modalitäten der Aufklärung bestimmt § 630e Abs. 2 BGB, dass die Aufklärung mündlich zu erfolgen hat und ergänzend auf Unterlagen Bezug genommen werden kann, die der Patient in Textform erhält. Die mündlich gebotene Vermittlung der Chancen und Risiken der Behandlung „im Großen und Ganzen“ und damit einer allgemeinen Vorstellung von dem Ausmaß der mit dem Eingriff verbundenen Gefahren verlangt, dass diese Gefahren auch im Gespräch genannt werden. Lediglich ergänzend, das heißt zur Wiederholung des Gesagten (als Gedächtnisstütze), zur bildlichen Darstellung und zur Verbesserung des Verständnisses des mündlich Erläuterten und zur Vermittlung vertiefender Informationen, die hilfreich, für das Verständnis der Risiken aber nicht unbedingt notwendig sind, kann (muss aber nicht) auf Informationen in Textform Bezug genommen werden. Es muss jedenfalls der für die selbstbestimmte Entscheidung notwendige Inhalt mündlich vorgetragen werden (Konkretisierung von BGH, Urteil vom 11. Oktober 2016 - VI ZR 462/15 - NJW-RR 2017, 533 Rn. 8).

In dem vom BGH behandelten Fall führte die im Bereich des Sprunggelenks durchgeführte Arthroskopie zu einer Nervenschädigung mit der Folge einer 60 % Schwerbehinderung. Der Kläger rügte über die möglichen Folgen einer Arthroskopie insbesondere einer möglichen Nervenschädigung nicht richtig aufgeklärt worden zu sein. In dem von dem Operateur verwendeten Aufklärungsbogen war dieses Risiko beschrieben. Streitig war, ob über dieses Risiko zwischen Arzt und Patient auch mündlich gesprochen wurde. Dies hat das Berufungsgericht nach erfolgter Zurückverweisung zu prüfen.

Kern der Aufklärung, so der BGH, ist das vertrauensvolle Gespräch, bei dem der Arzt auf die individuellen Belange des Patienten einzugehen hat und sich überzeugen muss, dass der Patient die mündlichen und schriftlichen Hinweise und Informationen auch verstanden hat. Über schwerwiegende und das weitere Leben belastende Risiken sei auch dann aufzuklären, wenn sich diese nur selten realisierten.

Bei Routineeingriffen wie Routineimpfungen mag dies einschränkend gelten. Der Arzt sollte sich jedoch immer vor Augen halten, dass die mündliche Aufklärung den Kern bildet.

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