Abmahnwelle wegen Google Fonts

von Joachim Borger | Lieb.Rechtsanwälte

In den vergangenen Wochen häuft sich die Zahl von Abmahn-Emails wegen Verwendung von Schriftarten (Fonts), die von Google bereitgestellt werden und auf der Webseite des abgemahnten Unternehmens zum Einsatz kommen. Diese Welle unterscheidet sich von früheren großen Abmahnwellen nicht zuletzt dadurch, dass sie von (vermeintlichen?) Privatpersonen ausgeht, die in der Regel keinem juristischen Berufsstand angehören. Die Forderungsschreiben kommen also nicht von Anwaltskanzleien mit entsprechendem Briefkopf, sondern als einfache Mail von unscheinbaren Absendern. Die Abmahnenden gehen vor wie folgt:

Unternehmenswebseiten werden dahingehend untersucht, ob mit Aufruf der Webseite Daten des Aufrufenden, jedenfalls die IP-Adresse, an Google weitergegeben werden. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn auf der Webseite Google Fonts abgebildet werden und diese nicht lokal bei dem Webseitenbetreiber abgelegt sind, sondern bei jedem einzelnen Aufruf von Google-Servern geladen werden. Im Falle eines Treffers wird der Verantwortliche für die Webseite per Mail angeschrieben. Die E-Mail enthält im Wesentlichen folgenden Inhalt:

  1. „Ihr benutzt Google Fonts (nicht lokal) und gebt damit jedenfalls meine IP-Adresse an Google weiter, ohne mich zu fragen.“
  2. „Deswegen hat jetzt Google meine Daten und macht damit aller Wahrscheinlichkeit nach, was es will. Das erschüttert mich zutiefst und macht mir Angst.“
  3. „Ändert sofort eure Webseite, damit das nicht noch öfter passiert!“
  4. „Bezahlt mir Schmerzensgeld in Höhe von € 100.00 (und zwar am besten gestern)!“
  5. „Wenn Ihr eure Webseite nicht ändert und nicht bezahlt, schalte ich meinen Anwalt ein.“

Die Abmahnenden berufen sich dabei auf ein Urteil des LG München I, das in einem solchen Fall einen Webseitenbetreiber so wie jetzt von den Abmahnenden gefordert verurteilt hat (Urteil vom 20.01.2022, Aktenzeichen 3 O 17493/20).

 

Was tun, wenn man eine solche E-Mail erhält?

Die E-Mail sollte keinesfalls schlicht ignoriert werden. Es spricht sehr viel dafür, dass ein Anspruch auf Schmerzensgeld nur in Ausnahmefällen besteht. Das gilt jedenfalls dann, wenn sich darstellen lässt, dass der Abmahnende aktiv nach Datenschutzverstößen gesucht hat, um abmahnen zu können. Das kann sich beispielsweise daraus ergeben, dass der Abmahnende als solcher in vielen Fällen aktiv ist. Auch wenn Kenntnisse dazu fehlen, dürften Gerichte stutzig werden, wenn sich eine Person mit Sitz in Schleswig-Holstein zutiefst in seiner Integrität hinsichtlich seiner Daten verletzt fühlt und dafür entschädigt werden will, dass etwa eine Konditorei mit Sitz am Bodensee, deren Einzugsgebiet fast 1000 km vom Sitz des Abmahnenden entfernt liegt, Google Fonts unzulässig verwendet.

Dennoch ist Vorsicht geboten. Zwar mag sich die Schmerzensgeldforderung abwehren lassen. Ein Unterlassungsanspruch kann und wird in den meisten Fällen dennoch bestehen. Auch ein solcher Unterlassungsanspruch kann zum Gegenstand anwaltlicher und gerichtlicher Durchsetzung gemacht werden. Der Unterlassungsanspruch erlischt nicht allein durch entsprechende Änderung der Webseite. Stattdessen ist darüber hinaus in der Regel die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung erforderlich. Ob die Abmahnenden das wissen, steht auf einem anderen Blatt. Spätestens wenn diese sich anwaltlichen Beistand besorgen, wird das Thema wahrscheinlich aufkommen. Aus unserer Sicht lohnt es sich daher oft, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben und zwar auch dann, wenn das (noch) nicht explizit gefordert wird. Denn mit Abgabe einer adäquaten strafbewehrten Unterlassungserklärung erledigt sich der Unterlassungsanspruch. Dem Abmahnenden verbleibt nur noch die Option, Klage auf Schmerzensgeld zu erheben. Eine Klage auf Zahlung von € 100,00 wird wirtschaftlich uninteressant sein und deshalb aller Wahrscheinlichkeit nach unterbleiben, da die Abmahnende auf schnelles Geld ohne großen Aufwand aus sind.

Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung muss individuell auf die konkreten Umstände des Einzelfalles zugeschnitten sein, um die Gefahr gerichtlicher Inanspruchnahme zu beseitigen. Diesbezüglich raten wir dringend zu individueller anwaltlicher Beratung.

Unabhängig von der abschließenden rechtlichen Beurteilung empfiehlt es sich auch keinesfalls, die geforderte Zahlung umgehend zu leisten. Sollten die Abmahnenden feststellen, dass sich das Abmahnwesen schon deshalb lohnt, weil ein ausreichender Anteil der Betroffenen unkompliziert zahlt, dürfte sich dieses „Geschäftsmodell“ massiv ausbreiten und erheblichen gesamtwirtschaftlichen Aufwand verursachen. Nach hiesiger Einschätzung dürfte diese Art von Abmahnungen hingegen bald wieder in der Versenkung verschwinden, wenn die beiden folgenden Grundregeln konsequent beachtet werden:

Die E-Mail nicht ignorieren!
Nicht (ohne Gegenwehr) bezahlen!

Dann dürften die Abmahnenden sehr bald feststellen, dass sich das „Geschäftsmodell“ nicht lohnt, da es entweder überhaupt keinen Ertrag bringt oder der geringere Ertrag mit unverhältnismäßig hohem Aufwand verbunden ist.

Sollten Sie sich einer solchen Abmahnung ausgesetzt sehen, stehen wir Ihnen gerne mit Rat und Tat zur Seite!

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