Abgasskandal – Nun meldet sich Karlsruhe zu Wort

von Lieb Redaktion

 

Im Abgasskandal meldete sich am 22. Februar 2019 nun der BGH, das höchste deutsche Zivilgericht, zu Wort. Im Ergebnis stärkt der BGH die Rechte der VW-Kunden. Zu einem Urteil kommt es zwar nicht, der Verhandlungstermin - vorgesehen für den 27. Februar 2019 - wurde wegen eines Vergleichs abgesagt. Vorausgegangen war jedoch ein umfangreicher Hinweisbeschluss des Senats vom 8. Januar 2019, der in Kürze auch auf der Internetseite des Gerichts bereitgestellt wird.

 

Der Sachverhalt

Im Fall erwarb der Kläger von einem Kraftfahrzeughändler einen im Juli 2015 ausgelieferten Neuwagen (VW Tiguan 2.0 TDI, 1. Generation). Das Fahrzeug war mit der aus den Medien hinlänglich bekannten Software ausgestattet, die erkennen kann, ob sich das Fahrzeug in einem Prüfzyklus zur Ermittlung von Emissionswerten befindet. In diesem Fall (anders als im normalen Fahrbetrieb) leitet es verstärkt Abgase in den Motor zurück, um eine Verringerung der am Auspuff gemessenen Stickoxide (NOx-Werte) zu erreichen.

Nach dem Kraftfahrzeugbundesamt stellt diese Software eine unzulässige Abschaltfunktion dar. Der Kläger forderte daher bis November 2015 die Nachlieferung eines mangelfreien Ersatzfahrzeuges. Eine Nachbesserung wurde nur hilfsweise geltend gemacht.

 

Ergebnis der Vorinstanz

Die Vorinstanzen gaben dem Kläger nur im Hilfsantrag auf Nachbesserung recht. Eine Ersatzlieferung eines mangelfreien Neufahrzeuges sei nach Auffassung des OLG Bamberg unmöglich. Der Kläger habe einen Tiguan der ersten Generation erworben, der so jedoch nicht mehr hergestellt werde. Für die Ersatzlieferung eines Tiguans der zweiten Generation fehle es bereits an einem entsprechenden Antrag. Weiterhin seien die Fahrzeuge der ersten und zweiten Generation nicht gleichartig und daher auch nicht gleichwertig. Die zweite Generation sei höher motorisiert und erreiche damit deutlich höhere Geschwindigkeiten in der Spitze. Zudem sei der Tiguan der zweiten Generation etwas größer und der Radstand um fast 10 cm breiter. Insofern handele es sich um eine „komplett andere“ Motorisierung.

Das OLG Bamberg hatte die Revision zum BGH zugelassen.

 

 

 

Rechtsausfassung des BGH

Im Beschluss (Az. VIII ZR 225/17) hat der BGH nun festgestellt, dass sich die Abschaltsoftware wohl als Sachmangel qualifizieren lasse. Es bestehe die Gefahr der Betriebsuntersagung und damit dürfe es der Sache an der Straßentauglichkeit fehlen. Dem Fahrzeug mangele es daher an den Eigenschaften für die gewöhnliche Nutzung (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB).

Weiterhin erging der Hinweis, dass der BGH die Rechtsauffassung des OLG Bamberg – „die Nachlieferung eines mangelfreien Ersatzfahrzeuges sei unmöglich“ –rechtsfehlerhaft sein könnte. Selbst bei Änderungen am Modell könne der Käufer ein neues Auto bekommen. Wenn es den alten Tiguan-Typus nicht mehr gebe, dann müsse unter Umständen ein Neuer mit leichten Modifizierungen geliefert werden. Hier komme es aber u.U. auf die Höhe der Ersatzbeschaffung an. Sei die Ersatzlieferung allerdings mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden, so könne der Verkäufer diese mit den im Einzelfall festzustellenden Voraussetzungen des § 439 Abs. 4 BGB verweigern. Damit bleibt eine Ersatzlieferung eines anderen Modells aber durchaus im Rahmen des Möglichen.

 

Fazit

Mit dem BGH-Beschluss erschöpfen sich zwar immer noch nicht alle offenen Rechtsfragen im Dieselskandal. Allerdings sendet das Gericht ein klares Signal: VW-Kunden sind nicht chancenlos. Die Lieferung eines nagelneuen Ersatzfahrzeugs ist selbst dann möglich, wenn das neue nicht ganz identisch wäre.

Die Absagen von höchstrichterlichen Verhandlungsterminen häufen sich derzeit. Bereits Ende 2018 musste der BGH einen für Januar anberaumten Termin ebenfalls wegen eines Vergleichs streichen. Die Autokonzerne scheinen ein Urteil  des BGH vermeiden zu wollen.

Mit der neuen Linie des BGH könnten sich betroffene Kunden nun aber doch einmal überlegen, es auf ein Urteil ankommen zu lassen. Die Chancen eines Obsiegens dürften dank der vorläufigen Einschätzung aus Karlsruhe jedenfalls gestiegen sein.

Florian Güster - Ass.iur. - Wissenschaftlicher Mitarbeiter

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