Zur Aufklärung der Mutter über die Möglichkeit der Schnittentbindung bei Risikogeburt

von Lieb Rechtsanwälte

Ist eine Schnittentbindung aufgrund besonderer Umstände relativ indiziert und ist sie deshalb eine echte Alternative zu einer vaginal-operativen Entbindung, besteht einer Pflicht zur Aufklärung der Mutter über die Möglichkeit der Schnittentbindung (BGH, Urteil vom 17.05.2011, VI ZR 69/10).

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist eine Unterrichtung über alternative Behandlungsmöglichkeiten erforderlich, wenn für eine medizinisch sinnvolle und indizierte Therapie mehrere gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die jeweils zu unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten.

Zwar braucht der geburtsleitende Arzt in einer normalen Entbindungssituation, bei der die Schnittentbindung medizinisch nicht indiziert und deshalb keine echte Alternative zur vaginalen Geburt ist, ohne besondere Veranlassung die Möglichkeit der Schnittentbindung nicht anzusprechen. Der Fall liegt jedoch anders, wenn die Geburt vaginal erfolgt und für das Kind ernstzunehmende Gefahren drohen, mithin im Interesse des Kindes gewichtige Gründe für eine Schnittentbindung sprechen und diese unter Berücksichtigung auch der Kostitution und Befindlichkeit der Mutter in der konkreten Situation eine medizinisch verantwortbare Alternative darstellt.

Eine solche Aufklärung ist immer dann erforderlich und muss bereits zu einem Zeitpunkt vorgenommen werden, zu dem sich die Patientin noch in einem Zustand befindet, in dem mit ihr die Problematik besprochen werden kann, wenn deutliche Anzeichen dafür bestehen, dass sich der Geburtsvorgang in Richtung einer solchen Entscheidungssituation entwickeln kann, in der die Schnittentbindung notwendig oder zumindest zu einer echten Alternative zu einer vaginalen Entbindung wird. Dies ist - so der BGH - etwa der Fall, wenn sich bei einer Risikogeburt konkret abzeichnet, dass sich die Risiken in Richtung einer Notwendigkeit oder einer relativen Indikation einer Schnittentbindung entwickeln können.

Auf eine "zwingende" Indikation der Schnittenbindung kommt es (entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts) nicht an. Es genügt, dass es sich in der konkreten Entbindungssituation um eine (relativ) indizierte, sinnvolle Alternative handelt.

 

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