Streitwertgrenze für Urheberrechtsabmahnungen ist europarechtskonform

von Joachim Borger | Lieb.Rechtsanwälte

Ein Urheber, der eine Urheberrechtsverletzung anwaltlich abmahnen lässt, darf die Kosten für die zulässige und begründete Abmahnung vom Verletzer ersetzt verlangen. Gemäß § 97a Abs. 3 S. 2 UrhG gilt unter gewissen Umständen dabei jedoch eine Deckelung. Solche gewissen Umstände liegen vor, wenn (1.) die Rechtsverletzung nur im privaten Rahmen und nicht im Zuge gewerblicher oder selbständiger beruflicher Tätigkeit und (2.) sich der Rechtsverletzer nicht bereits zuvor vertraglich zur Unterlassung verpflichtet hatte (Unterlassungsvereinbarung!) oder gerichtlich zur Unterlassung verpflichtet wurde. Die Deckelung gilt also im Wesentlichen nur gegenüber unbedarften Privatpersonen. In solchen Fällen dürfen die Anwaltskosten grundsätzlich nur aus einem Gegenstandswert von höchstens € 1.000,00 ersetzt verlangt werden.

In einem Verfahren vor dem Landgericht Saarbrücken ist die Frage aufgeworfen worden, ob diese Deckelung mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar ist. Das LG Saarbrücken gab diese Frage im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH weiter. Zwar steht die gerichtliche Entscheidung noch aus. Der Generalstaatsanwalt des EuGH Campos Sánchez-Bordona erklärte nun mit seinen Schlussanträgen vom 11.11.2021, Rs. C-559/20, dass er diese Deckelungsregelung für europarechtskonform hält. Die hier einschlägige Richtlinie 2004/48/EG sieht in Art. 14 vor, dass die Kosten anwaltlicher Vertretung in der Regel von der unterliegenden Partei zu tragen seien – allerdings mit der Einschränkung, dass dies anders zu behandeln sein muss, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, die dieses Ergebnis unbillig erscheinen lassen. Daher darf der nationale Gesetzgeber über die Kostenverteilung nicht zu pauschal entscheiden und muss den Gerichten einen gewissen Spielraum offen halten, um auf Ausnahmesituationen im jeweiligen Einzelfall angemessen eingehen zu können. Nach der Auffassung des Generalanwalts räumt der deutsche Gesetzgeber diesen Spielraum in hinreichendem Umfang ein, indem er in § 97a Abs. 3 S. 4 UrhG regelt, dass die Deckelung nicht gilt, „wenn der genannte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalles unbillig ist.“

Diese Argumentation erscheint plausibel. Es dürfte davon auszugehen sein, dass der EuGH sich dem anschließt und die Deckelung des § 97a Abs. 3 S. 2 UrhG auch in Zukunft Anwendung finden wird.

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