Umsatzsteuer bei gekündigtem Werkvertrag für nicht erbrachte Leistungen?

von Lieb Rechtsanwälte

Ein Beitrag von RA Dr. Klaus Lieb, FA für Medizinrecht, FA für Handels- und Gesellschaftsrecht

Kündigt der Besteller bis zur Vollendung des Werkes den Vertrag, ist der Unternehmer nach § 649 Satz 2 BGB (vormals § 648 Satz 2 BGB) berechtigt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen; er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrages an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt.

Es stellt sich die Frage, ob Umsatzsteuer für die nicht ausgeführten Leistungen anfällt.

Mit Urteil vom 22.11.2007, Az.: VII ZR 83/05, stellte der BGH fest, dass es bei diesem Teil der Vergütung an einer Gegenleistung fehlt. Für den gekündigten Teil der Leistung werde keine Vergütung gezahlt, die als Entgelt im Sinne von § 10 Abs. 1 UStG anzusehen sei. In der Vergütung für den kündigungsbedingt nicht ausgeführten Teil der Leistung sei eher eine Entschädigung als eine Vergütung zu sehen.

Das Finanzgericht Niedersachsen wendet sich in seinem Urteil vom 28.02.2019, Az.: 5 K 214/18, gegen die Rechtsprechung des BGH. Nach der gesetzlichen Regelung könne der Unternehmer für nicht erbrachte Leistungen die vereinbarte Vergütung verlangen. Hieraus leitet das Finanzgericht ab, dass alle Beträge, die der Unternehmer von dem Besteller erhält, als Vergütung und somit insgesamt als Entgelt im Sinne des Umsatzsteuerrechts zu sehen sind. Folglich sei auch auf den gekündigten Teil der Leistung Umsatzsteuer zu berechnen und zu zahlen.

Das beim Bundesfinanzhof unter dem Az.: VR 13/19 anhängige Revisionsverfahren läuft noch.

Praxishinweis:
Derzeit hat sich der Unternehmer noch an die Rechtsprechung des BGH zu halten und keine Umsatzsteuer auf die Vergütung wegen des gekündigten Teils der Leistung zu berechnen. Im Hinblick auf das laufende Revisionsverfahren sollte bei der Rechnungsstellung ausdrücklich vermerkt werden, dass der Unternehmer sich die Nachforderung der Umsatzsteuer für die Vergütung für den gekündigten Teil der Leistung vorbehält. Für den Fall eines Rechtsstreits ist ein entsprechender Feststellungsantrag zu stellen.

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