Sind Autos und Fahrräder ähnlich?

von Lieb Rechtsanwälte

Ein Beitrag von RA Tobias Kiphuth, FA für gewerblichen Rechtsschutz

Mit dieser auf den ersten Blick etwas merkwürdigen Frage musste sich der BGH in einem Markenrechtsstreit befassen (I ZR 135/19, Urteil vom 15.10.2020 - PEARL/PURE PEARL).

Zu Grunde lag folgender Sachverhalt: Die Inhaberin der für Fahrräder geschützten Marke „PEARL“ klagte gegen die Benutzung der Marke „PURE PEARL“ für ein PKW-Sondermodell von CITROËN. Nachdem das LG Hamburg der Klage stattgegeben hatte, kam das OLG Hamburg zu dem überraschenden Ergebnis, dass eine absolute Warenunähnlichkeit zwischen Fahrrädern und Kraftfahrzeugen bestehe.

Da kann man sich schon die Frage stellen, ob die OLG-Richter in Hamburg noch nie auf die Idee gekommen sind, ihr Auto stehen zu lassen und stattdessen mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren?

Denn bereits 2006 hatte der EUGH zum Markenrecht entschieden, dass bei der Beurteilung der Ähnlichkeit von Waren alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen sind, die das Verhältnis zwischen den Waren kennzeichnen; hierzu gehören insbesondere die Art der Waren, ihr Verwendungszweck, ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren.

Völlig zutreffend stellte der BGH deshalb fest, dass potentielle Käufer die Nutzung eines Fahrrads als Alternative zur Nutzung eines Kraftfahrzeugs ansehen. Dies gelte jedenfalls, soweit Kraftfahrzeuge und Fahrräder zur Fortbewegung in einem beschränkten räumlichen Bereich - etwa in Städten - eingesetzt werden, um kurze Entfernungen zurückzulegen.

Für eine Warenähnlichkeit spreche auch, dass eine Vielzahl von Kraftfahrzeugherstellern, insbesondere BMW, Mercedes, VW, Porsche und Smart, als Ergänzung ihres Automobilangebots auch Fahrräder unter ihrer Marke anbieten. Unternehmen wie Opel und Peugeot seien zunächst als Hersteller von Fahrrädern tätig geworden, bevor sie mit der Produktion von Automobilen begonnen hätten. Gerade auch die Muttergesellschaft der Beklagten, die Peugeot S. A., produziere weiterhin Fahrräder. Es gebe auch Automobilhändler, die Fahrräder und Zubehör für Fahrräder verkauften, und Fahrradhändler, die Zubehör zur Verwendung mit Kraftfahrzeugen vertrieben.

Der BGH hat daher die Entscheidung des OLG Hamburg aufgehoben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückverwiesen.

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