Rechtsprechung zum Geschäftsgeheimnisgesetz
von Joachim Borger | Lieb.Rechtsanwälte
Das Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) ist am 26.04.2019 in Kraft getreten. Flächendeckende gerichtliche Entscheidungen zu den damit verbundenen Problemfeldern gibt es dazu noch nicht. Die Entwicklung schreitet jedoch allmählich voran. Das OLG Hamm nahm mit Urteil vom 15.09.2020 – Az. 4 U 177/19 – unter dem Titel „Flüsteraggregat“ erstmals Stellung zu einer der spannendsten Fragen, die das Geschäftsgeheimnisgesetz aufwirft: Was sind „angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen“?
Im entschiedenen Fall soll eine Mitarbeiterin eines Unternehmens sensible Unterlagen einschließlich detaillierter Zeichnungen unberechtigt entwendet und an Dritte weitergegeben haben. Letztlich wurde auf Grundlage dieser Unterlagen eine Nachahmung des „Flüsteraggregats“ des geschädigten Unternehmens erschaffen und verwertet. Bei der rechtlichen Beurteilung der Klage galt es u.a., darüber zu bestimmen, ob hinsichtlich der entwendeten Unterlagen im entschiedenen Fall angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen getroffen worden waren.
Das OLG Hamm stellt fest, dass die Angemessenheit im jeweiligen Einzelfall anhand der individuellen Umstände beurteilt werden muss. Um den Geheimnisbegriff nicht zu stark einzuschränken, sei ein optimaler Schutz nicht zu verlangen. Die Maßnahmen müssen jedoch den Möglichkeiten des Geheimnisträgers und der Bedeutung des Geheimnisschutzes für den Geheimnisträger gerecht werden. Von besonderer Bedeutung seien die Art und der wirtschaftliche Wert des Geheimnisses. Die Kosten müssen in einem im Einzelfall vernünftigen Verhältnis zum Wert des Geheimnisses stehen, auch unter Berücksichtigung der Frage, inwieweit der Geheimnisschutz Wettbewerbsvorteile mit sich bringt. Branchenübliche Sicherheitsstandards könnten als Anhaltspunkt herangezogen werden.
Im entschiedenen Fall erachtete das OLG Hamm die getroffenen Sicherheitsvorkehrungen als unzureichend. Zum Schutz der technischen, produktbezogenen Unterlagen der Klägerin wurde jedenfalls unter den herrschenden Gesamtumständen, deren umfassende Darstellung an dieser Stelle den Rahmen sprengen würde, als nicht ausreichend angesehen, dass die Klägerin (nur) eine EDV-Sicherheitsrichtlinie vorgehalten, eine personenbezogene Reglementierung der Zugriffsberechtigung auf Daten und Unterlagen vorgenommen und Geheimhaltungsvereinbarungen (NDA) mit Lizenznehmern geschlossen hatte.
Daran zeigt sich, was bereits zuvor zu erwarten war. Die Anforderungen an wirksamen gesetzlichen Geheimnisschutz sind hoch. Unternehmen sollten dies nicht unterschätzen.