Praxiswert: Bestimmung des Praxiswertes ist grundsätzlich für Zulassungsausschüsse tabu

von Lieb Rechtsanwälte

Hat sich ein Arzt mit einem oder mehreren interessierten Kollegen über den Wert einer abzugebenden Praxis geeinigt, dürfen die Zulassungsgremien nicht noch selbst einen Praxiswert ermitteln, wie der der Vertragsarztsenat des Bundessozialgerichts entschieden hat.

Mit dieser Entscheidung erhalten Ärzte einen weiten Spielraum, eine ins Auge gefasste Praxisübergabe rasch zu regeln.

In dem zu entscheidenden Fall hatte eine Psychotherapeutin in Baden-Württemberg den Wert ihrer Praxis zunächst auf 56.000 € geschätzt. Sie einigte sich anschließend mit allen an einer Übernahme interessierten Kollegen auf einen Verkehrswert von 40.000 €.

Der Berufungsausschuss holte unabhängig hiervon ein eigenes Gutachten ein, das den Wert der Praxis auf 35.000 € bestimmte. Da dieses Ergebnis dem Ausschuss nicht gefiel, da der immaterielle Praxiswert für eine psychotherapeutische Praxis zu hoch angesetzt sei, wurde ein weiteres Gutachten in Auftrag gegeben, das einen immateriellen Praxiswert von Null ergab. Es blieb danach nur noch ein Sachwert von 2.940 €.

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg monierte, dass der Ausschuss, der nach Auffassung des Gerichts grundsätzlich berechtigt gewesen sei, einen Praxiswert festzusetzen, den Widerspruch der beiden Gutachten nicht aufgeklärt hatte.

Dem trat das Bundessozialgericht nun entgegen. Wenn sich der abgebende Arzt mit einem oder mehreren Interessenten auf einen Praxiswert geeinigt hat, dürfen sich die Zulassungsgremien nicht mehr einzumischen. Den Ärzte wird damit die Möglichkeit eingeräumt, zeitraubende Gutachterverfahren zu umgehen und die Nachfolgeentscheidung zu beschleunigen. Gibt es dagegen verschieden hohe Gebote für die Praxis, müssen die Zulassungsgremien einen Wert festsetzen. Der Wert darf nicht unter dem niedrigsten Gebot liegen, da sich die Interessenten zumindest in dieser Höhe einig sind. Des weiteren ist der Ausschuss an das eingeholte Gutachten gebunden.

Weiter stellte das Bundessozialgericht klar, dass auch eine psychotherapeutische Praxis einen „Goodwill-Wert“ haben kann, der zwar in der Regel wohl geringer sei als bei anderen Praxen. Jedoch dürfe er nicht generell ausgeschlossen werden, sondern sei von den gutachterlichen Experten zu bewerten.

BSG, Urteil vom 14.12.2011, Az.: B 6 KA 39/10 R,
Vorinstanz LSG Stuttgart, Urteil vom 23.10.2010, Az.: L 5 KA 1323/09

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