LG Köln: Absage einer internationalen Messe wegen unklarer Infektionslage

von Joachim Borger | Lieb.Rechtsanwälte

Das LG Köln hat mit Urteil vom 29.04.2021 – 85 O 23/20 – entschieden, dass die Veranstalterin einer internationalen Eisenwarenmesse die für den 01. bis 04.03.2020 geplante Messe drei Tage vor geplantem Beginn absagen durfte, ohne sich hierdurch schadensersatzpflichtig zu machen.

In den Vorjahren konnte die jährlich in Köln stattfindende Messe rund 50.000 Besucher vorweisen, die aus aller Welt anreisten. Damit war auch im Jahr 2020 zu rechnen. Die Verbreitung von Corona in Deutschland beschränkte sich in den Tagen und Wochen vor der Messe nach damaligem Wissensstand noch auf Einzelfälle soweit bekannt. Im Ausland, jedenfalls in China und Italien, war die Lage allerdings bereits akut. Aus Sorge vor einer drastischen Verbreitung von Corona-Viren sagte die Veranstalterin die Messe noch in der Woche ab, in der die Messe sonntags hätte eröffnet werden sollen. Der Klägerin, einer Werkzeugherstellerin aus Wuppertal, die als Ausstellerin vorgesehen war, zahlte die Veranstalterin die Teilnahmegebühr in Höhe von rund € 130.000 zurück. Die Klägerin machte mit der Klage jedoch Ersatz vergeblicher Aufwendungen in Höhe von über € 200.000 geltend. Das sind die Kosten, die für die Vorbereitung der geplanten Stände angefallen waren und nicht mehr rückgängig gemacht werden konnten. Diese Aufwendungen tätigte die Klägerin im Vertrauen auf das Stattfinden der Messe. Sie seien von der Veranstalterin zu ersetzen, da diese die Messe nicht hätte absagen dürfen.

Für die Messe bestand kein gesetzliches oder behördlich angeordnetes Verbot. Insofern stand der Veranstaltung nichts entgegen. Die Veranstalterin entschied sich letztlich für die Absage, weil sie im Zuge einer umfassenden Interessenabwägung zwischen dem allgemeinen Gesundheitsschutz und den rein wirtschaftlichen Interessen der Aussteller und Besucher zu dem Ergebnis kam, dass das Infektionsrisiko zu hoch gewesen wäre.

Das Gericht hat diese Abwägung gebilligt und die Absage für zulässig erklärt. Selbst wenn die Absage vertraglichen Vereinbarungen widersprochen hätte (pacta sunt servanda), wäre die Entscheidung jedenfalls nicht fahrlässig oder gar vorsätzlich falsch ausgefallen, was für Schadens- und Aufwendungsersatzansprüche jedoch erforderlich wäre. Denn es bestanden zahlreiche Anhaltspunkte dafür, die die Befürchtung von (vielen) Infektionen auf der Messe stützten. Gesicherte Kenntnisse über die Verbreitung der Corona-Viren, das Infektionsrisiko auf einer solchen Großveranstaltung und die etwaigen Folgen waren kaum verfügbar. Vor diesem Hintergrund sei es angemessen gewesen, die Messe aus Sicherheitsgründen abzusagen. Daher komme es nicht darauf an, ob die Veranstalterin gemäß ihrer AGB zur Absage wegen äußerer Umstände, insbesondere wegen höherer Gewalt, berechtigt war.

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