Kein Ermessensspielraum bei Arzneimittelregressen

von Lieb Rechtsanwälte

"Arzneimittelverordnungen sind entweder zulässig oder unzulässig. Hat der Vertragsarzt die maßgeblichen Vorgaben für seine Verordnungstätigkeit unter Einschluss der Grundsätze zum Off-Label-Use beachtet, besteht keine Rechtfertigung dafür, ihn auch nur teilweise an den Kosten für verordnete Arzneimittel zu beteiligen. Für rechtswidrige Verordnungen muss der Vertragsarzt der Krankenkasse vollen Schadensersatz leisten, weil die Kasse gegenüber der Apotheke Kosten getragen hat, die sie nicht zu tragen verpflichtet war. Im Übrigen könnte die Vorgabe einer Ermessensbetätigung hinsichtlich der Höhe eines Regresses zu gravierenden Umsetzungsproblemen bei den Prüfgremien und zu einem kaum tolerierbaren Verlust an Rechtssicherheit führen.

Die Rechtsprechung des BSG zu Arzneikostenregressen bietet hinreichend Spielraum, den besonderen Schwierigkeiten Rechnung zu tragen, denen sich Vertragsärzte insbesondere dann gegenübersehen, wenn sie schwer erkrankte Patienten nach einer stationären Behandlung wieder ambulant versorgen müssen und (noch) keine abschließende Klarheit über die genaue Bezeichnung der Erkrankung besteht. Maßstab für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Verordnung ist dann, ob sich der Vertragsarzt nach den ihm vorliegenden Ergebnissen sorgfältiger Diagnostik eine vertretbare Meinung über das bei dem Patienten vorliegende Krankheitsgeschehen gebildet und seine Verordnungsweise danach ausgerichtet hat. Hat der Vertragsarzt auf der Grundlage einer vertretbaren Beurteilung der Erkrankung des Versicherten ein für die Behandlung dieser Erkrankung zugelassenes Medikament verschrieben, ist für einen Kostenregress kein Raum, auch wenn ein Sachverständiger Jahre später das aktenmäßige Krankheitsbild des Versicherten eher einer anderen Krankheitsbezeichnung zuordnet."

BSG, Entscheidung vom 30.10.2013, B 6 KA 2/13 R
SG Mainz - S 2 KA 1/08
LSG Mainz - L 7 KA 45/09

Quelle: Terminbericht des BSG Nr. 51/13 (zur Terminvorschau Nr. 51/13), abrufbar unter www.juris.de 

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