Kein automatisches „Recht auf Vergessenwerden“ bei Google

von Sarah Op den Camp | Lieb.Rechtsanwälte

BGH VI ZR 405/18, 27.07.2020

 

Das Thema Datenschutz nimmt in der Informationsgesellschaft einen immer größeren Stellenwert ein. Rechtlich immer wieder thematisiert wurde die Frage, ob Suchmaschinen wie Google verpflichtet sind, alte Archivmeldungen insbesondere kritische Veröffentlichungen über Personen nach einem bestimmten Zeitablauf aus der Trefferliste zu entfernen.

Mit dieser Frage hatte sich auch der BGH zu befassen: Der frühere Geschäftsführer eines regionalen Wohlfahrtsverbandes beantragte gegenüber dem  Suchmaschinenbetreiber Google, es zu unterlassen, bei einer gezielten Suche nach seinem Namen einen Presseartikel aus dem Jahr 2011 in der Ergebnisliste aufzuführen, in welchem darüber berichtet wurde, dass der Verband ein finanzielles Defizit von knapp einer Million Euro verzeichnet habe und sich der mit vollem Klarnamen aufgeführte Kläger kurze Zeit zuvor krank gemeldet hatte.  Der Kläger sah sich hierdurch in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt und machte auf der Basis von Art. 17 der DS-GVO einen Auslistungsanspruch geltend.

Der Auslistungsanspruch erfordere nach der Rechtsprechung des EuGH  und des BVerfG (NJW 2020, 314 – Recht auf Vergessen II) eine umfassende Grundrechtsabwägung. Diese sei auf der Grundlage aller relevanten Umstände des Einzelfalles und unter Berücksichtigung der Schwere des Eingriffs in die Grundrechte der betroffenen Person einerseits (Art. 7, 8 GRCh), der Grundrechte der Beklagten, der Interessen ihrer Nutzer und der Öffentlichkeit sowie der Grundrechte der Anbieter der in den beanstandeten Ergebnislinks nachgewiesenen Inhalte andererseits (Art. 11, 16 GRCh) vorzunehmen. Eine grundsätzliche Vermutung des Vorrangs der Rechte des Betroffenen gebe es nicht, so der BGH. Vielmehr sei eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen.

Der BGH stellte klar, dass der Suchmaschinenbetreiber hier nicht erst nach Aufforderung des Betroffenen tätig werden müssen, sondern selbst Ausschau nach offensichtlichen Rechtsverletzungen halten müsse. An seiner noch zur Rechtslage vor Inkrafttreten der DSGVO entwickelten gegenteiligen Rechtsprechung (Senatsurteil vom 27. Februar 2018 – VI ZR 489/16, BGHZ 217, 350, 363 Rn. 36 i.V.m. 370 f. Rn. 52) hielt der Senat insoweit nicht fest.

Im vorliegenden Fall konnte der BGH keine überwiegenden Interessen des Betroffenen erkennen und wies die Revision daher ab. Der Ablauf von 6-7 Jahren seit der Veröffentlichung der Artikel lasse nicht eindeutig auf die Erledigung jeglichen Informationsinteresses der Öffentlichkeit schließen.

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