Influencer und Kennzeichnungspflichten II

von Joachim Borger | Lieb.Rechtsanwälte

Der BGH hat am 29.07.2021 über Klagen gegen drei prominente Influencerinnen verhandelt, die bei Instagram Beiträge veröffentlichten und dabei direkte Links („Tap Tags“) zu Instagram-Profilen der Unternehmen enthielten, deren Produkte Gegenstand der Postings der Influencerinnen waren. Wir berichteten. Mittlerweile wurden die Entscheidungen diesbezüglich verkündet.

Der BGH verurteilte nur eine der drei Influencerinnen. Jene hatte eine Gegenleistung von den verlinkten Unternehmen erhalten, was bei den anderen beiden Beklagten nicht der Fall war. Damit ergibt sich folgende Maßgabe für Beiträge in sozialen Medien:

(Nur) Wer eine Gegenleistung für die Produktplatzierung erhält, muss seinen Beitrag als Werbung kennzeichnen.
 
Wenn keine Gegenleistung fließt, kommt eine Kennzeichnungspflicht nur ausnahmsweise in Betracht, falls der Beitrag „übertrieben werblich ist, etwa weil er ohne jede kritische Distanz allein die Vorzüge eines Produkts dieses Unternehmens in einer Weise lobend hervorhebt, dass die Darstellung den Rahmen einer sachlich veranlassten Information verlässt“ (Pressemitteilung des BGH vom 09.09.2021, Nr. 170/2021).

Damit hat der BGH durchaus Klarheit geschaffen. Dennoch verbleiben offene Fragen:

Was bedeutet „Gegenleistung“? Sicherlich werden nicht nur unmittelbare Geldzahlungen darunter zu fassen sein. Wenn etwa ein Youtuber ein Produkt zugeschickt bekommt mit der Maßgabe, er dürfe das Exemplar behalten, wenn er sich in einem Video mit dem Produkt auseinandersetzt – dürfte das häufig auch eine Gegenleistung sein. Gilt dies auch noch, wenn er das Produkt etwa nur für einen vorübergehenden Zeitraum behalten darf? Was ist, wenn er das Produkt zwar endgültig behalten darf, sich dafür jedoch zu einem Produkttest (nebst entsprechender Veröffentlichung) verpflichtet und das Produkt dadurch erheblich verschleißt oder verbraucht wird? Bezüglich des Begriffs „Gegenleistung“ werden sich Abgrenzungsfragen stellen, die letztlich im Einzelfall individuell zu beantworten sein werden.

Auch darüber hinaus wird die Rechtsprechung weitere Fragen zu beantworten haben. Wann ist ein Beitrag übertrieben werblich? Wie verlässt man den Rahmen einer sachlich veranlassten Information der anderen Nutzer? Ergibt sich daraus eine Obliegenheit, sich mit platzierten Produkten und deren Eigenschaften vertieft auseinanderzusetzen, wenn man der Kennzeichnungspflicht entgehen will? Wenn ja, wie weit muss die inhaltliche Auseinandersetzung reichen? Und ist es ab einem gewissen Grad der Popularität eines Influencers nicht eigentlich egal, wie er das Produkt darstellt, weil die Anhänger (und hier vor allem: Follower) des Prominenten alles gut finden, was sie im Zusammenhang mit ihm zu sehen bekommen?

Der Gesetzgeber hat den Ausführungen des BGH vom 09.09.2021 zwar bereits vorgegriffen und eine Reform des UWG für das Jahr 2022 in Gang gebracht, die ebenfalls eine Kennzeichnungspflicht in Abhängigkeit von dem etwaigen Erhalt einer Gegenleistung abhängig macht. Abgrenzungsfragen werden sich jedoch auch auf dieser Basis stellen.

Der BGH hat mit Urteilen vom 09.09.2021 das geltende Recht fortgebildet und damit einen wichtigen und begrüßenswerten Beitrag geleistet. Ebenso wichtig für die Betroffenen ist jedoch, im Blick zu behalten, dass die Frage der Kennzeichnungspflichten auch weiterhin sorgfältig im Einzelfall bewertet werden muss.

BGH, Urteile vom 09.09.2021 – I ZR 90/20, I ZR 125/20, I ZR 126/20

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