"Helene wird MILF" - Presserat atemlos

von Lieb Redaktion

Als im Laufe des vergangenen Jahres bekannt wurde, dass Schlager-Superstar Helene Fischer schwanger ist, begann sicherlich in den meisten deutschen Redaktionen der übliche Wettlauf gegen die Zeit. Diese Neuigkeit musste angesichts des ultimativen Prominentenstatus von Helene Fischer publiziert werden – und zwar von jedem und überall.

Das galt auch für das Allgäuer Presseformat „all-in.de“. Dort veröffentlichte man am einen Beitrag zu dieser Neuigkeit und titelte: „Endlich Mutterglück? Schlagerstar Helene Fischer soll schwanger sein!“ So weit, so gut. Mit der Dachzeile des Artikels setzte sich „all-in.de“ allerdings von der breiten Masse der Presseveröffentlichungen ab und titelte:

„Helene wird MILF!“

Dieser Titel erregte nicht nur die Aufmerksamkeit von anderen Prominenten wie z.B. Oliver Pocher. Unsere Kollegin, RAin Sarah Op den Camp, Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht, stieß ein Verfahren beim Deutschen Presserat an wegen Verstoßes gegen den Pressekodex - mit Erfolg! Gemäß der Entscheidung des Beschwerdeausschusses 1 ist die Beschwerde begründet. „All-in.de“ sieht sich daher nun einem Hinweis des Deutschen Presserates ausgesetzt. Der Beschwerdeausschuss hält die Bezeichnung als MILF in diesem Zusammenhang für diskriminierend:

Der Ausschuss stellt in der Berichterstattung einen Verstoß gegen die Ziffer 9 des Pressekodex fest. Die Bezeichnung „MILF“ für die bekannte Schlagersängerin stellt nach Auffassung der Mehrheit der Ausschussmitglieder mit ihrer sexuellen Konnotation eine Beleidigung dar, die die Sängerin herabwürdigt und die Grenze der Ehrverletzung überschreitet.“

Ist die Mission damit geglückt? Das erscheint leider fragwürdig. „All-in.de“ zeigte sich bislang alles andere als einsichtig und weist jeden Vorwurf von sich. Der deutsche Presserat fasst die Stellungnahme von „All-in.de“ zusammen wie folgt:

"Ill. Die Geschäftsführung von rta.design GmbH nimmt zu den Vorwürfen Stellung. Die Dachzeile sei weder beleidigend gemeint, noch stelle sie eine Beleidigung dar. Natürlich beinhalte das Akronym „MILF“ das Wort „Fuck“. Das Akronym selbst sei aus Sicht des Autors und aus Sicht der Redaktion als umgangssprachlich humorvolle Bezeichnung für eine attraktive Mutter etabliert. „MILF“ sei ein mittlerweile popularisierter Ausdruck, der als Ganzes gebräuchlich und nicht mehr im Wortsinn seiner Einzelteile zu verstehensei. Das Wort stamme aus der Kinokomödie „American Pie“ von 1999. Seit Beginn der Erfolgsgeschichte dieser Filmreihe habe sich der Begriff über die Jugendsprache in der Umgangssprache etabliert. Man müsse auch den Sprachwandelberücksichtigen. Noch Mitte der 90er Jahre sei es für ältere Menschen unerhört gewesen, das Wort „geil“ zu verwenden. In der Alltagssprache habe sich der Begriff als „fantastisch, großartig“ etabliert und habe nicht mehr die eigentliche Bedeutung, „sexuell erregt‘. Ähnlich verhalte es sich mit dem anstößigen Teil des Wortes „Milf‘. Auch andere Medien würden den Begriff verwenden. Es handele sich zudem um einen Boulevardartikel. Helene Fischersei eine sehr attraktive Frau, deren Erfolg zu einem großen Teil auf ihrem Sex-Appeal begründetsei. Insofern sei Helene
Fischer als Adressatin für das umgangssprachlich-boulevardige „MILF“ durchaus vertretbar. Der Autor habe mit der Beschwerdeführerin Kontakt aufgenommen, um seine Sichtweise der Dinge zu erläutern, aber leider keine Rückmeldung erhalten."

Gespannt blicken wir in die Zukunft in der Hoffnung auf eine Stellungnahme des betroffenen Schlagerstars. Dass Äußerlichkeiten im Musik- und Showbusiness oft eine Rolle spielen, dürfte sich nicht von der Hand weisen lassen. Ob Helene Fischer und/oder ihr Management sowie alle weiteren im Hintergrund Beteiligten der These, dass der Erfolg von Helene Fischer „zu einem großen Teil auf ihrem Sex-Appeal begründet“ ist, zustimmen werden oder nicht, werden wir gespannt verfolgen. Davon abgesehen stellt sich allerdings die Frage, welche Rolle dieser Aspekt spielt? Dürfen Journalisten eine prominente, werdende Mutter als MILF bezeichnen und so herabwürdigen, weil die Betroffene sonst auch (!) von ihrem begehrenswerten Erscheinungsbild profitiert? Sicherlich nicht.

Die Verteidigungslinie der Allgäuer Medienplattform wirft jedenfalls eine weitere Frage auf: Gelten für Pressebeiträge reduzierte Anforderungen im Hinblick auf respektvollen Umgang und die Achtung der Persönlichkeit von Protagonisten, weil es sich (nur?) „um einen Boulevardartikel“ handelt? Sicherlich auch das nicht. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Presseveröffentlichungen gelten gänzlich unabhängig von dessen inhaltlichem Niveau.

Einsicht ist bei der verantwortlichen Stelle nicht zu erkennen. Wirklich überraschend erscheint allerdings, dass sich der zuständige Beschwerdeausschuss durchaus unentschlossen zeigt. Die Entscheidung ist mit 4:3 Stimmen außerordentlich knapp ausgefallen. Dazu führt der deutsche Presserat aus:

„Einzelne Ausschussmitglieder schlossen sich dieser Auffassung nicht an, sie waren der Meinung, dass der Begriff „MILF“ nicht wortwörtlich zu nehmen ist, sondern als Synonym für eine begehrenswerte Frau, die Mutter ist, steht und inzwischen Einzug in den allgemeinen Sprachgebrauch gehalten hat. Hierfür fand sich jedoch keine Mehrheit.“

Wer das für eine reine Entscheidung „Frauen gegen Männer“ hält, der irrt wohl. Soweit anhand der Namen der mitwirkenden Ausschussmitglieder in der Mitteilung des deutschen Presserates erkennbar, haben an der Entscheidung 5 Männer und nur 2 Frauen mitgewirkt.

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