Hat der BGH ein Herz für nachlässige Urheberrechtsverletzer?

von Lieb Rechtsanwälte

Ein Beitrag von RA Tobias Kiphuth, FA für gewerblichen Rechtsschutz

Mit Urteil vom 27.05.2021 (I ZR 119/20 – Lautsprecherfoto) hat der Bundesgerichtshof scheinbar eine Änderung der Rechtsprechung eingeläutet. Was war geschehen?

Der Anbieter eines Lautsprechers auf Ebay-Kleinanzeigen verwendete ein fremdes Produktfoto und verletzte damit die Urheberrechte des Fotografen.  Im Verlauf des Rechtsstreits gab der Verletzer eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab und entfernte (vermeintlich) das Foto aus dem Internet. Tatsächlich war das Foto aber weiter abrufbar, zumindest bei Direkteingabe einer mehr als 70 Zeichen umfassenden URL-Adresse. Der Fotograf forderte deshalb eine Vertragsstrafe.

Während die Gerichte bisher der Auffassung waren, dass die Abrufbarkeit eines Fotos im Internet stets ein öffentliches Zugänglichmachen darstellt, entschied diesmal der BGH ebenso wie die Vorinstanzen zugunsten des Verletzers. Das Merkmal „Öffentlichkeit“ liege nur dann vor, wenn „recht viele Personen“ das Fotos aufrufen könnten. Angesichts der sehr langen, nichtssagenden URL-Adresse sei dies aber nur solchen Personen möglich, denen diese bekannt sei, weil sie die Adresse beispielsweise zuvor gespeichert oder notiert hatten. Dabei werde es sich nur um einen sehr kleinen Personenkreis handeln.

Allerdings dürften sich nachlässig löschende Urheberrechtsverletzer zu früh gefreut haben, wenn sie glauben, der BGH habe sich jetzt auf ihre Seite gestellt. Denn der Fotograf verlor das Verfahren vermutlich nur deshalb, weil er zwei entscheidende Gesichtspunkte erst im Revisionsverfahren – und damit verspätet – vorbrachte. Dort behauptete er nämlich zum einen, dass das Foto auch bei einer einfach durchzuführenden Google-Bildersuche angezeigt worden wäre. Zum anderen würden viele Ebay-Nutzer die Angebote speichern, um gegebenenfalls später darauf zurückzukommen. Ich gehe davon aus, dass der BGH anders entschieden hätte, wenn der Kläger dies rechtzeitig vorgetragen und unter Beweis gestellt hätte.

Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass jedes Verfahren ein Einzelfall ist, der einer fundierten anwaltlichen Betreuung bedarf. Wir beraten Sie gerne!

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