Haftung wegen unzureichender Aufklärung bei Patientenentlassung entgegen ärztlichen Rates

von Lieb Rechtsanwälte

Auch wenn Patienten das Krankenhaus entgegen ärztlichen Rates vorzeitig verlassen wollen, sind besondere Aufklärungspflichten zu beachten, wie das OLG Köln in einem Urteil vom 06.06.2012 (Az.: 5 U 28/10) entschieden hat.

Im vorliegenden Fall ging es um einen Patienten, der an einer seltenen angeborenen Herzerkrankung mit daraus resultierender Herzmuskelschwäche und Herzrhythmusstörungen litt. Der Patient erhielt einen Defibrillator implantiert und nahm einen Betablocker zeitweise mit anderen Medikamenten ein. Als er krankheitsbedingt das Bewusstsein verloren hatte und gestürzt war, wurde er mit einer Platzwunde stationär aufgenommen und medizinisch versorgt. Die Ärzte setzten den Betablocker ab und verabreichten dem Patienten ein Antiarrhythmikum. Der Patient entließ sich entgegen ärztlichen Rates am nächsten Tag wieder aus der Klinik. Die Ärzte wiesen ihn zwar darauf hin, dass ihn sein Defibrillator nicht sicher schützen und er im Rahmen einer Tachykardie versterben könne, jedoch wurde versäumt, ihn auch darauf aufmerksam zu machen, das mit der Medikamentenumstellung ein stationär überwachungsbedürftiges Risiko einherging, dass das Antiarrhythmikum entgegen der beabsichtigten Wirkung auch Herzrhythmusstörungen vermehren und verstärken kann.

Zwei Tage nach Verlassen des Krankenhauses kam es zu Herzrhythmusstörungen. Der Notarzt konnte die Herz-Kreislauffunktionen wieder herstellen, jedoch verblieb eine hypoxische Hirnschädigung mit Tetraparese, die zum Wachkoma führte.

Das OLG Köln hat einen groben Behandlungsfehler bejaht. Der Patient wurde vor dem Verlassen der Klinik nicht ausreichend therapeutisch aufgeklärt, da zu unterstellen war, dass dieser bei ausreichender Aufklärung zur stationären Überwachung im Krankenhaus geblieben wäre und in diesem Fall eine Hirnschädigung hätte vermieden werden können. Ein Mitverschulden des Patienten wurde ausgeschlossen, da ein solches aufgrund des Wissens- und Informationsvorsprunges der Ärzte zur dann in Betracht gekommen wäre, wenn er über die Sachlage vollständig und für ihn verständlich unterrichtet worden wäre.

Hinweis:

Wenn sich Patienten entgegen ärztlichen Rates für eine vorzeitige Entlassung aus dem Krankenhaus entscheiden, muss ausdrücklich über alle denkbaren Risiken hingewiesen werden. Je unvernünftiger ein Patient zu sein scheint, umso nachdrücklicher ist auf die Risiken hinzuweisen. In bestimmten Fällen sind dem Patienten  notwendige Verhaltensmaßnahmen an die Hand zu geben, wie er sich verhalten soll, wenn es zu Symptomen kommt. Die Aufklärung sollte zu Beweiszwecken unter Beiziehung eines Zeugen (Personal) erfolgen und dokumentiert werden.

Zurück