Haftet eine Zeitung für einen unrichtigen Gesundheitstipp?

von Lieb Rechtsanwälte

Ein Beitrag von RA Dr. Klaus Lieb, FA für Medizinrecht, FA für Handels- und Gesellschaftsrecht

Mit dieser Frage hatte sich der EuGH in seinem Urteil vom 10.06.2021 zu befassen. Er stellte fest, dass ein Exemplar einer gedruckten Zeitung, die im Zuge der Behandlung eines Themas aus dem Umfeld der Medizin einen unrichtigen Gesundheitstipp zur Verwendung einer Pflanze erteilt, durch dessen Befolgung eine Leserin dieser Zeitung an der Gesundheit geschädigt wurde, kein „fehlerhaftes Produkt“ im Sinne des Art. 2 der Richtlinie 85/374/EWG darstellt.

Am 31.12.2016 veröffentlichte die „Kronen-Zeitung“ Österreich einen Artikel über die Vorzüge einer Auflage aus geriebenem Kren (Meerrettich). Dieser Artikel wurde unter dem Namen des Kräuterpfarrers Benedikt veröffentlicht, der als Experte auf dem Gebiet der kräuterkundlichen Heilkunst unentgeltlich Ratschläge erteilt. In dem Artikel hieß es, dass frisch geriebener Kren mithelfen könne, die im Zuge von Rheuma auftretenden Schmerzen zu verringern. Die Auflage mit Kren könne man durchaus zwei bis fünf Stunden oben lassen, bevor man sie wiederum entfernt. Die Anwendung besitze eine gute ableitende Wirkung. Die im Artikel angeführte Dauer für die Auflage von zwei bis fünf Stunden war jedoch unrichtig; anstelle von Stunden hätte es Minuten heißen müssen. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens vertraute der im Artikel angeführten Behandlungsdauer. Sie beließ den Kren auf ihrem Fußgelenk dort für etwa drei Stunden und entfernte ihn erst, als es bereits zu starken Schmerzen aufgrund einer toxischen Hautreaktion gekommen war. Sie erhob in dem Ausgangsverfahren gegen den Verlag der Zeitung Klage auf Zahlung als Ersatz des ihr durch die Körperverletzung entstandenen Schadens. Ihre Klage wurde in erster Instanz und in der Berufungsinstanz abgewiesen. Hiergegen erhob sie Revision an das vorlegende Gericht.

Mit dem deutschen Produkthaftungsgesetz wurde die Richtlinie 85/374/EWG umgesetzt. Wird nach § 1 Abs.1 dieses Gesetzes durch den Fehler eines Produkts jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Hersteller des Produkts verpflichtet, dem Geschädigten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

Ein unrichtiger Gesundheitstipp zur Verwendung einer Pflanze in einem Zeitungsexemplar, durch dessen Befolgung ein Leser der Zeitung an der Gesundheit geschädigt wurde, stellt somit nach der Entscheidung des EuGH auch kein fehlerhaftes Produkt im Sinne des deutschen Rechts dar.

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