Geringes Haftungsrisiko bei Event-Absagen
von Lieb Rechtsanwälte
Nachdem Italien ganze Städte unter Quarantäne stellte, und Schulen und Universitäten den Betrieb einstellen mussten, sind nun die ersten Großveranstaltungen abgesagt – auch in Deutschland. Corona greift um sich und wirft zahlreiche Fragen auf. Die wichtigsten Fragen dabei sind sicherlich solche, die unsere Gesundheit betreffen. Gleichwohl lässt sich nicht ignorieren, dass mit den Maßnahmen des Gesundheitsschutzes auch wirtschaftliche Einbußen einhergehen, die aufgefangen werden müssen.
Wird eine Großveranstaltung, z.B. eine Fachmesse, abgesagt, sind etliche Dinge zu stornieren: Die Event-Location, Catering-Services, Unterhaltungsangebote durch Künstler, Flug- und Bahntickets, Hotelzimmer usw. Oft sind Stornierungen kostenfrei möglich. Je früher die Absage erfolgt, desto wahrscheinlicher ist die Kostenfreiheit. Doch nicht alle Stornierungen werden kostenfrei möglich sein. Grundsätzlich sind die Storno-Kosten dann von demjenigen zu zahlen, der die Leistung bestellt hat. Möglicherweise kommen Besucher abgesagter Veranstaltungen auf die Idee, Storno-Kosten als Schadensposten im Rahmen von Schadensersatzforderungen gegenüber dem Veranstalter geltend zu machen. Im ersten Schritt stellt sich dabei die Frage, welche Storno-Kosten überhaupt anfallen. Im zweiten Schritt stellt sich die Frage, ob der Veranstalter in Regress genommen werden kann.
In welchen Fällen und inwieweit darf der Anbieter der stornierten Leistung Stornogebühren verlangen?
Wer sich fragt, ob seine Stornierung kostenpflichtig ist, schaut am besten zuerst in die Buchungsunterlagen. In den AGB des Anbieters finden sich häufig Regelungen dazu, ob und unter welchen Bedingungen Storno-Kosten anfallen. Diese Vertragsbedingungen sind grundsätzlich für Anbieter und Besteller verbindlich. Nur in Ausnahmefällen, wenn die Vertragsbedingungen völlig fernab jeglicher Vernunft liegen und den Besteller unangemessen benachteiligen, können solche Klauseln im Einzelfall unwirksam sein. Gegebenenfalls zeigen sich Anbieter angesichts der außergewöhnlichen Umstände auch kulant und verzichten auf Stornogebühren. Darauf vertrauen kann man allerdings nicht. Es kann nicht schaden, diesbezüglich Kontakt mit dem Anbieter aufzunehmen.
Ist für den Fall der Stornierung vertraglich nichts geregelt, kann der Anbieter grundsätzlich den vereinbarten Preis für die Leistung verlangen, auch wenn der Besteller storniert und die Leistung nicht in Anspruch nimmt.
Zu diesem Grundsatz bestehen Ausnahmen:
Wer etwa eine Pauschalreise gebucht hat, kann vor Reiseantritt stornieren und muss dann nicht den gesamten vereinbarten Reisepreis bezahlen, sondern nur eine angemessene Entschädigung, die den bereits angefallenen Aufwand des Reiseveranstalters abdeckt. Wer Bahn-/Flugticket und Hotelzimmer eigenständig und separat voneinander gebucht hat, ist allerdings kein Pauschalreisender und fällt nicht unter diesen Ausnahmetatbestand.
Auch in den Fällen von § 313 BGB müssen stornierende Kunden nicht den vollen vereinbarten Preis bezahlen, sondern nur Ersatz leisten für bereits angefallene Kosten des Anbieters. U.a. müssen sich dafür in der Zeit zwischen der Buchung und der Inanspruchnahme der Leistung solche Umstände schwerwiegend verändert haben, die die Vertragsparteien bei der Buchung als Geschäftsgrundlage angesehen haben. Das kann beispielsweise der Besuch einer bestimmten Messe in der Nähe des gebuchten und zu stornierenden Hotels sein, wenn Hotelbetreiber und Hotelgast beim Buchungsvorgang ausdrücklich darüber gesprochen haben, dass der Gast nur zum Zweck des Messebesuchs anreist und der Hotelbetreiber diese Zweckbindung hinnimmt.
Nach beiden Ausnahmetatbeständen denkbar ist die Privilegierung etwa bei Veranstaltungsgästen, die ein „Messe-Paket“ o.ä. bei einem Dienstleister gebucht haben, der seinen Kunden Tickets für Anreise, Unterkunft und die jeweilige Messe besorgt und als Gesamtheit bereitstellt.
Wird etwa das gebuchte Hotel vor Anreise unter Quarantäne gestellt, erübrigt sich die Stornierung. Der Gast muss nichts zahlen. Hingegen kommt der Gast nicht um seine Zahlungspflicht herum, wenn er einzig und allein aus bloßer Furcht vor einer Virusinfektion storniert.
Meine Veranstaltung habe ich abgesagt. Dürfen mir nun meine Veranstaltungsgäste ihre Storno-Kosten in Rechnung stellen?
Ihre Gäste haben Buchungen für Anreise, Unterkunft u.a. getätigt im Vertrauen darauf, dass Ihr Event wie beworben stattfindet. Wird das Event abgesagt, werden diese Buchungen für den Gast nutzlos. Dem Gast sind vergebliche Aufwendungen in Form der Preise gemäß Buchungsbedingungen oder in Form von Stornogebühren entstanden, die er möglicherweise vom absagenden Veranstalter ersetzt verlangt. Bei diesen Aufwendungen handelt es sich um Schadensposten im weiteren Sinne. Der Kunde verlangt also Schadensersatz. Dabei stellt sich die Frage, wer das Risiko für die Eventabsage zu tragen hat.
Solche Schadensersatzansprüche setzen voraus, dass der Veranstalter (1.) eine eigene Pflicht verletzt hat und er (2.) diese Pflichtverletzung zu vertreten hat. Hat der Veranstalter seine Gäste zu einem bestimmten Event eingeladen, ist er grundsätzlich auch dazu verpflichtet, dieses Event abzuhalten. Sagt er das Event ab, hat er seine Pflichten verletzt. Nach aktuellem Stand wird der Veranstalter großer Events diese Pflichtverletzung jedoch nicht zu vertreten haben und sich folglich nicht haftbar machen. Folgt der Veranstalter angesichts der Bedrohung durch das Corona-Virus den Empfehlungen von Gesundheitsbehörden und anderen medizinischen Fachleuten und sagt Events ab, wird man dem Veranstalter aktuell keinen Vorwurf machen können. Soweit die Entscheidung des Veranstalters zumindest vertretbar erscheint, hat er seine Pflichtverletzung im Rechtssinne nicht zu vertreten und macht sich dadurch nicht haftbar. Diese Beurteilung ist allerdings in jedem Einzelfall individuell zu beurteilen unter Berücksichtigung aller konkreten Umstände, die im Zeitpunkt der Absage herrschen. Daher muss die Sachlage vor einer Entscheidung über die Absage täglich neu beurteilt werden. Auch liegt zu der aktuellen Sachlage keine gefestigte Rechtsprechung vor, auf die man sich verlassen könnte. In den letzten Tagen gab es täglich neue Meldungen im Zusammenhang mit dem Corona-Virus: Neue Infektionen, neue Einschätzungen der Bedrohlichkeit, neue Empfehlungen von Behörden und Fachgremien. Wenn die Tagesschau vom 08.03.2020 berichtet, Bundesminister Spahn meine, dass Großveranstaltungen noch zu zaghaft abgesagt werden, dann wird man Veranstaltern, die heute oder jedenfalls zeitnah absagen, keine Haftung aufbürden können. In drei Wochen mag die Situation anders aussehen. Dies wird sich zeigen müssen.
Auch wenn Messe-Aussteller nach der Absage entgangenen Gewinn ersetzt verlangen,, den sie auf der abgesagten Messe gemacht hätten, ist das nur dann rechtmäßig, wenn die Absage vom Veranstalter zu vertreten ist. Aus den o.g. Gründen ist diese Voraussetzung für Ansprüche der Veranstalter nach dem aktuellen Stand der Dinge nicht erfüllt.
Soweit Veranstalter von Ihren Besuchern Eintrittsgelder und von Ausstellern Standgebühren verlangen, sind diese im Fall der Absage in jedem Fall zurückzuzahlen.