Einsicht in von Dritten beigezogene Behandlungsunterlagen im Arzthaftungsprozess

von Lieb Rechtsanwälte

Ein Beitrag von RA Johannes Gründner

Im Laufe eines Arzthaftungsprozesses kann es vorkommen, dass das Gericht die Beiziehung von Original-Behandlungsunterlagen gemäß § 142 Abs. 1 ZPO gegenüber Dritten wie z.B. mit- oder nachbehandelnden Ärzten anordnet.

Dabei stellt sich die Frage, ob und wie diese beigezogenen Unterlagen einer Partei zur Verfügung gestellt werden müssen. Sind der Partei die Unterlagen im Original zu überlassen oder kann das Gericht auf Abschriften oder gar auf die Einsichtnahme auf der Geschäftsstelle verweisen?

Ein Anspruch auf Übersendung der Unterlagen im Original in die eigene Kanzlei besteht grundsätzlich nicht. Vielmehr entscheidet die Vorsitzende über die Versendung im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens. Dabei sind u.a. die Gefahr des Verlusts sowie der Beschädigung der Originalunterlagen und die Entbehrlichkeit der Gerichtsakte mit den berechtigten Interessen der Parteien, die nicht unbedingt am Gerichtsort ansässig sind, abzuwägen.

Vorschnell könnte man sich sodann auf § 299 Abs. 1 ZPO berufen und zumindest die Ausfertigung von Abschriften beantragen. Da aber gemäß § 142 Abs. 1 ZPO beigezogene Originalurkunden nicht Teil der Prozessakte sind (Greger in Zöller, ZPO, 33. Aufl., § 142 Rn. 16), könnte auch dieses Begehren verweigert werden.

Den Parteien ist aber die Möglichkeit zu geben, Einsicht in Unterlagen zu nehmen, auf die sich die gerichtliche Entscheidung stützt. Dies gebietet der Grundsatz des rechtlichen Gehörs. Laut OLG Dresden (Beschluss vom 28.06.2021, 4 W 685/20) sind aber auch Abschriften zu erteilen, da eine Partei im Rahmen einer effektiven Prozessführung jederzeit in der Lage sein muss, Einblick in die wesentlichen Verfahrensunterlagen nehmen zu können. Die bloße Einsichtnahme auf der Geschäftsstelle reicht hierfür nicht aus. Die Partei muss sich mit den (Behandlungs-)Unterlagen auseinandersetzen können. § 299 ZPO ist entsprechend auf gemäß § 142 Abs. 1 ZPO beigezogene Behandlungsunterlagen anzuwenden. Die Übersendung erfolgt gegen Kostenerstattung.

Gerade im Arzthaftungsprozess sind Behandlungsunterlagen von wesentlicher Bedeutung, werden sie nicht zuletzt dem gerichtlichen Sachverständigengutachten zugrunde gelegt. Die Parteien, insbesondere Patienten als medizinische Laien, müssen in der Lage sein, diese in Ruhe zu studieren.  Die entsprechende Anwendung des § 299 ZPO ist zu begrüßen.  

 

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