Die Presseverleger geben nicht auf

von Joachim Borger | Lieb.Rechtsanwälte

Mit Wirkung zum 07.06.2021 sind die §§ 87f bis einschließlich 87j des deutschen Urheberrechtsgesetzes (UrhG) neu gefasst bzw. eingefügt worden. Sie regeln das Leistungsschutzrecht für Presseverleger und sollen den Presseverlagen die rechtliche Handhabe geben, um Suchmaschinenbetreibern und sogenannten News-Aggregatoren Lizenzgebühren dafür abverlangen zu können, dass diese ihre Nutzer nicht nur einfach auf Veröffentlichungen des jeweiligen Presseverlages verweisen, sondern dabei Vorschaubilder und Textausschnitte, sogenannte Snippets, anzeigen.

Auf dieser Basis fordert die Verwertungsgesellschaft Corint Media (ehemals VG Media) für das Jahr 2022 mehr als 400 Mio. Euro von Google Deutschland. Corint Media verlangt 11 % des geschätzten Gesamtumsatzes von Google Deutschland. Als Referenz dienen Schätzungen für das Jahr 2020 von rund 9 Milliarden Euro. Anstatt 990 Mio. Euro werden nur 420 Mio. Euro gefordert, da Corint Media nicht alle deutschen Presseverleger vertrete.

Während Google nun im November 2021 erstmals Vereinbarungen mit einigen namhaften Verlagen über den Umgang mit kurzen Auszügen von Verlagsinhalten geschlossen hat, wies Google die Forderung von Corint Media entschieden als „weder wirtschaftlich noch rechtlich begründet“ zurück.

Diese Reaktion von Google gegenüber Corint Media ist in keiner Weise überraschend. Die Forderung der Verwertungsgesellschaft als „absurd“ zu bezeichnen, ist ohne Zweifel gerechtfertigt. Die Verwertungsgesellschaft hatte schon einmal Lizenzgebühren auf Basis dieser Kalkulation verlangt. Diese Forderung ist vom Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) bereits 2015 klar und deutlich als unangemessen eingestuft worden. Dabei ist auch gerügt worden, dass nicht der gesamte Umsatz von Google Deutschland als Bemessungsgrundlage herangezogen werden könne, wenn nicht bewiesen wird, dass der gesamte Umsatz von Google Deutschland im Kausalzusammenhang mit der Verwendung von Presseausschnitten steht.

Trotz dieser klaren Absage versucht die Verwertungsgesellschaft einfach erneut, ihre abgehobenen Fantasien zu verwirklichen. Das ist zumindest konsequent. Nicht nur die Höhe der verlangten Lizenzgebühren ist in Frage zu stellen. Selbiges gilt auch für die Frage, ob die Presseverleger überhaupt einen Anspruch auf Lizenzgebühren auf Basis eines Leistungsschutzrechts für Presseverleger haben.

Das „deutsche Leistungsschutzrecht Modelljahr 2021“ ist aus deutscher Sicht der zweite Versuch, Forderungen gegenüber Google & Co. zu begründen. In einem bilderbuchartigen Beispiel von Lobbyarbeit trat im Jahr 2013 bereits ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger in Kraft. Trotz aller Bemühungen der Presselobby wurden dabei jedoch „kurze Textausschnitte“ vom Anwendungsbereich ausgenommen. Außerdem wurde die notwendige Notifizierung durch die EU unterlassen. Google ließ sich davon nicht beeindrucken und zahlte keine Lizenzgebühren. Schließlich wurde das Leistungsschutzrecht schon wegen fehlender Notifizierung für unwirksam erklärt. Ähnliche Vorgänge gab es auch im europäischen Ausland. Darauf hin zog die Presselobby nach Brüssel und initiierte ein europäisches Leistungsschutzrecht für Presseverleger, das dann schließlich auch in der DSM-Richtlinie verwirklicht und mit Wirkung zum 07.06.2021 in der aktuell geltenden Fassung in deutsches Recht umgesetzt wurde. Die Ausnahme für sogenannte Snippets gibt es jedoch auch hier. Wie umfangreich solche Snippets sein dürfen, wird dabei der Rechtsprechung zur Entscheidung überlassen. Derzeit ist nicht abzusehen, dass das neue Leistungsschutzrecht den erhofften Erfolg für die Presseverleger bringen wird. Auch die ersten Vereinbarungen mit einzelnen Verlagen kann dabei aus Lobbysicht nicht ohne Weiteres als erster Erfolg eingestuft werden. Der genaue Inhalt dieser Vereinbarungen ist nicht veröffentlicht. In welchem Umfang Google Lizenzgebühren bezahlt, ist daher unbekannt.

Aus Sicht des Verfassers sollten die Verlage jedoch jede Zahlung von Lizenzgebühren als großen politischen und verhandlungstechnischen Erfolg feiern. Nach wie vor spricht sehr Vieles dafür, dass die Presseverlage auch ohne Lizenzgebühren mehr von dem Traffic profitieren, den die Dienste von Google & Co. generieren, als sie diese Dienste kosten.

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