„Beratung vor Regress“ gilt auch für Altverfahren mit vorangegangenen Richtgrößenregressen

von Lieb Rechtsanwälte

„Beratung vor Regress“ gilt auch für Altverfahren mit vorangegangenen Richtgrößenregressen

Nach dem am 1. Januar 2012 in Kraft getretenen § 106 Abs. 5e SGB V hat bei einer erstmaligen Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 % zunächst eine individuelle Beratung stattzufinden. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich zweifelsfrei, dass die Prüfungsstelle und der Beschwerdeausschuss seitdem keinen Erstattungsbetrag mehr festsetzen können, wenn nicht zu dem früheren Prüfzeitraum die gesetzlich vorgeschriebene individuelle Beratung der Vertragsärztin oder des Vertragsarztes erfolgt ist.

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg entschied hierzu mit Beschluss vom 19. Februar 2013 (Aktenzeichen: L 5 KA 222/13 B ER), dass eine solche Beratung nicht durch einen vorangegangenen Regressbescheid als erfolgt angesehen werden kann. In dem dortigen Verfahren waren gegen den betroffenen Arzt bereits Richtgrößenregresse wegen Verordnungen aus den Jahren 2006 und 2007 ergangen. Wegen der erneuten Überschreitung dürfe kein Regress festgesetzt werden, weil die Regressbegründungen gerade keine individuelle Beratung im Sinne des Gesetzes seien. Das Sozialgericht Düsseldorf schloss sich mit Urteil vom 03.04.2013 (Aktenzeichen: S 2 KA 281/12) an und stellte fest, dass der Grundsatz „Beratung vor Regress“ rückwirkend Anwendung auf alle am 31.12.2011 offenen Verfahren gilt.

Des weiteren wies das Sozialgericht Düsseldorf darauf hin, dass die individuelle Beratung nachhaltig zu sein habe und sich nicht allein auf die Feststellung beschränken dürfe, dass eine Beratung erfolge. Mithin genügt nicht eine schriftliche Beratung mit meist nur generalisierten Ausführungen zur wirtschaftlichen Verordnungsweise in der Fachgruppe. Vielmehr hat eine vertiefende Auseinandersetzung mit den Argumenten des Arztes und seinen Praxisbesonderheiten stattzufinden, wie sich aus den § 106 Abs. 1a und § 106 Abs. 5e SGB V ableiten lässt. Der Arzt ist auf der Grundlage von Übersichten über die von ihm im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung zu beraten. Dabei hat eine auf die konkrete Arztpraxis bezogene Datengrundlage Verwendung zu finden. Zum anderen muss eine Klärung von Praxisbesonderheiten möglich sein, wobei der Arzt eine Feststellung über die Anerkennung von Praxisbesonderheiten beantragen kann. Die KVen und Krankenkassen haben sich folgende Fragen zu stellen:

  •  Wer führt die Beratung durch?
  • Welche Qualifikationen müssen die Berater haben?
  • Welche Übersichten verordneter Leistungen sind Grundlage der Beratung?
  • Unter welchen Voraussetzungen werden externe Sachverständige einbezogen?
  • Kann eine schriftliche Beratung ausreichen oder bedarf es auch eines persönlichen Gesprächs?
  • Wie wird über Praxisbesonderheiten entschieden?

Mithin zählt nicht mehr die Statistik sondern die die medizinisch-wirtschaftliche Beratung.

Quelle ÄrzteZeitung 28.03.2013, AMK 5/2013

 

Zurück