Aufklärungspflicht über Risiken außerhalb des Fachgebiets?

von Lieb Rechtsanwälte

 

Ist dem behandelnden Arzt ein Risiko im Zeitpunkt der Behandlung noch nicht bekannt und musste es ihm auch nicht bekannt sein, etwa weil es nur in anderen Spezialgebieten der medizinischen Wissenschaft, aber nicht in seinem Fachgebiet diskutiert wird, entfällt die Haftung des Arztes mangels schuldhafter Pflichtverletzung.

BGH, Urteil vom 19.10.2010 – VI ZR 241/09, ZMGR 01/2011, 21-25.

Sachverhalt:

Der für die Anästhesie verantwortliche Arzt führte bei der Patientin bei einer Krampfaderoperation die Spinalanästhesie durch. Nach dem Eingriff bildeten sich im Schädel der Patientin subdurale Hygrome (Flüssigkeitsergüsse). Die Patientin wurde im Rahmen der Aufklärung über die Risiken der Spinalanästhesie auf die Möglichkeit der Bildung eines Hygroms nicht hingewiesen.

Entscheidung:

Der Bundesgerichtshof verneinte eine schuldhafte Pflichtverletzung des Anästhesisten. Nach den Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen sei zum Zeitpunkt des Eingriffs das Risiko eines subduralen Hygroms unter Anästhesisten nahezu unbekannt gewesen, während das Risiko im Fachbereich der Neurologie teilweise in der medizinischen Literatur behandelt worden sei. Aufzuklären ist, so der BGH, nur über bekannte Risiken. War ein Risiko im Zeitpunkt der Behandlung noch nicht bekannt, besteht keine Aufklärungspflicht. War es dem behandelnden Arzt nicht bekannt und musste es ihm auch nicht bekannt sein, etwa weil es nur in anderen Spezialgebieten der medizinischen Wissenschaft, aber nicht in seinem Fachgebiet diskutiert wurde, entfällt die Haftung des Arztes mangels Pflichtverletzung (vgl. Senatsurteile vom 12.12.1989 – VI ZR 83/89, VersR 1990, 522; 21.11.1995 – VI ZR 329/94, VersR 1996, 223).

 

 

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