Aufklärung über die Unerfahrenheit des Operateurs

von Lieb Rechtsanwälte

1. Ein erfahrener Operateur, der eine neue, anderweitig erprobte Operationsmethode anwendet, handelt nicht schon deshalb behandlungsfehlerhaft, weil er noch nicht über die für die Gleichwertigkeit dieser Methode erforderliche Routine verfügt.

2. Sind die Operationsrisiken aufgrund seiner fehlenden Erfahrung höher als bei Anwendung der herkömmlichen Operationsmethode, muss er den Patienten darüber aufklären.

OLG Karlsruhe, Urteil vom 23.03.2011 – VII U 79/10 (GesR 356/2011)

In dem vom OLG Karlsruhe entschiedenen Fall setzte der Operateur nach der minimal-invasiven Methode eine Hüftgelenksprothese ein. Der Kläger gehörte zu den ersten zehn Patienten, welche nach dieser Methode von dem Arzt operiert worden waren. Zuvor hatte der Arzt rund 2.000 Hüftgelenksimplantationen nach der herkömmlichen Methode durchgeführt.

Aus den Gründen:

Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, Urteil vom 15.03.2005, GesR 2005, 255; es folgen weitere Rechtsprechungshinweise) ist die Wahl der Behandlungsmethode primär Sache des Arztes. Gibt es mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethoden, die wesentlich unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen aufweisen, besteht eine echte Wahlmöglichkeit für den Patienten. Dann muss diesem nach entsprechend vollständiger ärztlicher Aufklärung die Entscheidung überlassen bleiben, auf welchem Wege die Behandlung erfolgen soll und auf welches Risiko er sich einlassen will.

Über verschiedene zur Wahl stehende Operationsverfahren muss der Arzt grundsätzlich nicht von sich aus aufklären. Das gilt auch für die unterschiedlichen operativen Zugangsarten, die bei der Implantation einer Hüftgelenksprothese nach herkömmlicher Technik in Betracht kommen. Nach Auffassung der Oberlandesgerichte München und Naumburg kann der Operateur den minimal‑invasiven Zugang wählen, ohne den Patienten über die Vor- und Nachteile der herkömmlichen Operationsmethode aufzuklären.

Ob dieser Auffassung gefolgt werden kann, ließ das OLG Karlsruhe offen. Der Arzt hätte nämlich über seine vergleichsweise geringe Erfahrung mit der minimal‑invasiven Methode und die damit verbundene Risikoerhöhung aufklären müssen, was er unstreitig nicht getan hat.

 

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