Arzthonorarkürzung nach Plausibilitätsprüfung teilweise rechtswidrig

von Lieb Rechtsanwälte

Sachverhalt

Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KV) nahm bei einer Gemeinschaftspraxis eine Honorarkürzung nach vorangegangener Plausibilitätsprüfung für die Quartale 2/2005 – 1/2007 vor. Die Parteien stritten über das rechtmäßige Ansetzen der GOP 01100 und der GOP 033044 neben der Position 01730.

Dabei ermittelte die KV die Honorarkürzung, indem sie im Rahmen einer Schätzung das fehlerhafte Ansetzen der jeweiligen GOP für das Quartal 2/2005 ermittelte. Die so ermittelte Kürzungsquote wurde dann – ohne die o.g. Abrechungspositionen in jenen Quartalen jedenfalls teilweise überprüft zu haben – auf die Quartale 3/2005 bis 1/2007 übertragen.

Die beklagte KV legte also für die jeweiligen GOP einzig das Quartal 2/2005 zu Grunde. Im Quartal 2/2005 seien 66,67 % der angesetzten Fälle bei der GOP 01100 nicht berechtigt. Bei dem Ansatz der GOP 033044 legte die Beklagte für das Quartal 2/2005 eine Kürzungsquote von 75 % fest, welche ebenfalls im Wege der Schätzung auf die Quartale 3/2005 bis 1/2007 übertragen wurde.

Bewertung

Zum einen wurde vom Unterfertigten bemängelt, dass die Beklagte eine Plausibilitätsprüfung vornahm. Wie bereits das LSG NRW, im Einklang mit der Rechtsprechung des BSG (Urteil v. 08.03.2000, Az. B 6 KA 16/99) feststellte, ist die Plausibilitätsprüfung kein eigenständiges Verfahren der Honorarkürzung. Aus einer fehlenden Plausibilität ergibt sich noch keine Rechtfertigung zur sachlich-rechnerischen Berichtigung. Diese kann sich nur auf eine nachgewiesene Unrichtigkeit der Abrechnung stützen. Es besteht daher auch nach Ansicht des LSG NRW keine vom Arzt zu widerlegende Vermutung, dass eine als implausibel gewertete Abrechnung falsch ist. Vielmehr muss die beklagte KV dies ausreichend nachweisen. Den Beweis der fehlerhaften Abrechnung hatte die KV im vorliegenden Fall aber nicht geführt.

Bei seinem Urteil stellte sich das LSG auch einer gängigen Verwaltungspraxis der KVen entgegen, welche bereits aus einer lückenhaften Dokumentation auf die Nichterbringung der abgerechneten Leistung schließen. Das LSG stellte fest, dass eine unzureichende Dokumentation grundsätzlich noch nicht die Streichung der abgerechneten Leistungen rechtfertigt.

Zum anderen wurde durch Unterfertigten bemängelt, dass der Nachweis der implausiblen Leistung durch die KV auch nicht im Wege der Schätzung auf die Quartale 3/2005 bis 1/2007 übertragen werden darf.

Allein die ausgewählten zwanzig Behandlungsfälle (von ca. 1600 Behandlungsfällen) pro GOP und Quartal vermögen nicht ausreichend darzulegen und zu beweisen, dass diese zwanzig Fälle für die Gesamtabrechnung der Kläger repräsentativ waren. Bei einer derart umfassenden Kürzung ist die Heranziehung von nur zwanzig Behandlungsfällen pro GOP und Quartal zu gering.

Es gibt zudem keinen Erfahrungssatz, dass eine in bestimmten Fällen implausibel abgerechnete Leistung damit automatisch auch in allen anderen Fällen und Quartalen implausibel ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG kann unter bestimmten Voraussetzungen von einigen Abrechungsfällen auf die gesamten Behandlungsfälle des Abrechungsquartals geschlossen werden. Unzulässig ist in diesem Fall allerdings die Übertragung auf andere Quartale. Damit war eine Hochrechnung auf alle Fälle der streitigen Quartale durch die KV rechtswidrig und aufzuheben (vgl. auch LSG NRW L 11 KA 83/04).

Mit diesem Urteil stellt sich das LSG NRW der gängigen Praxis der KV im Rahmen von Plausibilitätsprüfungen entgegen, welche auf der Grundlage weniger Beispielsfälle eine Unrichtigkeit unterstellen, diese dann teilweise auf bis zu 7 Quartale hochrechnen und dem Arzt auf dieser Basis einer angeblichen bestehenden Vermutung der Unrichtigkeit die Beweislast für die Richtigkeit der Abrechnungen in den 7 Quartalen auferlegen. Das LSG stellte fest, dass es zuerst originäre Aufgabe der beklagten KV ist, die Fehlerhaftigkeit der Abrechnungen in den den Kürzungen zugrunde liegenden Quartalen ausreichend darzulegen (vgl. LSG NRW L 11 KA 83/04).

Zum anderen konnte die Beklagte die – fehlerhaft errechnete – Berichtigungsquote des Reverenzquartals 2/2005 nicht im Wege der Schätzung für die Quartale 3/2005 bis 1/2007 zugrunde legen, da die Anwendung statistischer Methoden erforderlich ist. Es fehlte die statistische Vergleichbarkeit. Mathematische Mindestkriterien sind bei der Prüfung nicht berücksichtigt worden. Eine quotale Schätzung verbietet sich daher wegen Fehlens der statistischen Erheblichkeit, da durch die ungenaue und daher nicht geeignete Schätzung nicht auf ein (im gleichen Umfang bestehendes) Fehlverhalten in den streitgegenständlichen Quartalen geschlossen werden kann.

Im Ergebnis stellte das Sozialgericht München klar, dass die statistische Verwertbarkeit im vorliegenden Fall gerade nicht gegeben war.

Praxishinweis

Handeln Sie rechtzeitig, indem Sie insbesondere Widerspruch gegen die Honorarkürzung einlegen und ermitteln lassen, nach welchen Grundsätzen die Kürzung vorgenommen wurde. Letztlich ist es auch erforderlich, dass eine ständig wiederkehrende Verhaltensweise / Abrechnungsverhalten des Arztes festgestellt wurde. Vorliegend ist diese Verhaltensweise in den streitgegenständlichen Quartalen aber nicht festgestellt worden vor dem Einsatz Ihrer Prüfmethode, sondern durch Ihre Prüfmethode unter Zugrundelegung des Reverenzquartals 2/2005.

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