11. GWB-Novelle – das Wettbewerbsdurchsetzungsgesetz, eine neue Machtstellung für das Bundeskartellamt

von Lieb Rechtsanwälte

Ein Beitrag von RAin Natalie Freiin von Beust

Am 05.04.2023 hat die Bundesregierung das sog. Wettbewerbsdurchsetzungsgesetz, die 11. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), beschlossen. Es handelt sich dabei um eine der größten und weitreichendsten Reformen des deutschen Wettbewerbsrecht – Ziel der Novelle soll es sein, den Wettbewerb im Sinne der Verbraucher zu stärken. Dementsprechend soll dort, wo die Marktstruktur mit dem Wettbewerb konkurriert, z.B. weil es nur wenige Anbieter im Markt gibt und gleichzeitig Preisentwicklungen zu Lasten der Verbraucher zu beobachten sind, die Eingriffsinstrumente des Kartellrechts und damit des Bundeskartellamts (BKartA) gestärkt werden. Die neue Novelle soll den Verbraucher:innen bessere Qualität zu besseren Preisen bieten und damit den Zweck des Wettbewerbsrechts, einen fairen und einheitlichen Wettbewerb zu gewährleisten und jegliche unzulässigen Beschränkungen des Wettbewerbs zu verhindern, wahren und fördern. Etwaige Absprachen oder andere Formen der Zusammenarbeit und/oder Zusammenschlüssen von Unternehmen, die den Wettbewerb verfälschen, führen zu deutlich spürbaren Auswirkungen auf Preise, Produktvielfalt und Innovation. Der Wettbewerb gilt dabei als das schlagkräftigste Instrument zur Senkung der Preise und zeitgleich Förderung der Innovation. Die neue Novelle soll daher entsprechend rechtswidriges Vorgehen und Zusammenarbeiten von Unternehmen bereits im Frühstadium verhindern und diesem grundsätzlich Einhalt gebieten.

Das BKartA erhält durch die neue Novelle im Bereich der sog. Sektoruntersuchung ein neues Eingriffsinstrument. Bisher konnte das BKartA im Rahmen solcher Untersuchungen prüfen, ob der Wettbewerb in einem ganzen Sektor (z.B. dem Kraftstoffmarkt) behindert oder eingeschränkt ist. Anstelle des bisher lediglich veröffentlichen Prüfungsberichts des Bundeskartellamts, kann die Behörde nun Maßnahmen zur Adressierung der festgestellten Störungen des Marktes anordnen und damit entsprechende Störungen schnell und effektiv abstellen. Marktzugänge können erleichtert, Ballungszentren gestoppt oder die Zusammenarbeit und/oder Zusammenschlüsse von Unternehmen aufgelöst werden. Solche Maßnahmen können zwar auch auf Grundlage der aktuellen Fassung des GWB ergehen, allerdings nur nachdem ein im GWB oder dem Europäischen Kartellrecht normierter Kartellrechtsverstoß festgestellt wurde – nach dem neuen Gesetz reicht nun eine reine Störung des Wettbewerbs.

Zudem werden dem BKartA weitreichendere Befugnisse eingeräumt, um kartellrechtswidrig erlangte Gewinne entziehen zu können. Die Abschöpfung, die in § 34 GWB geregelt ist, wird damit deutlich erleichtert. Damit soll eine bessere Handhabe zum Schutz gegeben und schärferes Eingreifen ermöglicht werden, wenn es bei Märkten mit verhältnismäßig wenigen Anbietern im Markt parallele Preisentwicklungen gibt, ohne dass ein Kartell nachweisbar ist.

Auch führt die neue Novelle die rechtlichen Grundlagen dafür ein, dass das BKartA die Europäischen Behörden und insbesondere die Europäische Kommission bei der Durchsetzung des Gesetzes für digitale Märkte (Digital Market Act) unterstützen kann. Das Gesetz über digitale Märkte (Verordnung EU 2022/1925 vom 14. September 2022) soll sicher stellen, dass es auf großen Online-Plattformen fair zugeht. Dabei soll insbesondere die Wettbewerbstätigkeit sog. Gatekeeper (Unternehmen, die aufgrund ihrer Marktmacht den Marktzugang für andere kontrollieren) in der Art überwacht und mglw. in deren Handlungen eingegriffen werden, dass andere Marktteilnehmer weiterhin Wettbewerbsdruck auf diese ausüben können und Fairness, wie gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Akteure der digitalen europäischen Märkte gewährleistet werden.

Ziel der Bundesregierung ist ein „Bundeskartellamt mit Biss“, ein „schlagkräftiges Kartellrecht“ und eine aktivere Wettbewerbspolitik, dennoch seien die neuen Regelungen „kein Blankoscheck“ – die jeweiligen Tatbestände seien stark präzisiert und das Verhältnis der Maßnahmen untereinander bestimmt genug. Die neue Novelle stünde derzeit wohl aber mit dem im Kartellrecht besonders verfolgten Ziel vorhersehbarer und zügiger Verfahren in Konkurrenz, auch wird gerade die Möglichkeit der Entflechtung von Unternehmen stark von Seiten der Industrie kritisiert – es bleibt abzuwarten, wie dieses Spannungsverhältnis gelöst wird. Zunächst wird die neue Novelle erstmal dem Bundestag und Bundesrat zugeleitet.

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